Interview

»Viel zu wenig Transparenz«

Dieter Graumann Foto: Margrit Schmidt

Herr Graumann, zwei Monate nach den ersten Meldungen zur Thüringer Terrorzelle: Wie bewerten Sie den derzeitigen Stand der Aufklärung?
Eine ungute Mischung: zu viel Enttäuschung und viel zu wenig Transparenz. Den guten Willen aller Amtsstellen will ich nicht in Zweifel ziehen. Vielleicht sollte man von der angekündigten Selbstaufklärung auch nicht zu viel erwarten. Doch fast drängt sich der Eindruck auf: Wer so lange Zeit im Dunkeln tappt, will vielleicht gar nicht unbedingt den Lichtschalter finden. Tag für Tag erreichen uns neue Meldungen, die spekulativ, konspirativ und nebulös sind. Eine überzeugende Informationspolitik sieht anders aus. Man muss die Ermittlungsanstrengungen nun bündeln. Raus aus dem Winterschlaf, mehr Mut zu Offenheit, Transparenz und neuer Glaubwürdigkeit!

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wollte in der vergangenen Woche in Israel Zeichen »gegen den braunen Ungeist« setzen. Reicht das aus?
Es ist schön, dass die Ministerpräsidentin Israel besucht. Aber dies hat mit dem Rechtsterrorismus hierzulande nichts zu tun. Zeichen müssen dennoch gesetzt werden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Frau Lieberknecht ihr Engagement auch wirklich ernst meint.

Kommt der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags Ende Februar zu spät?
In Thüringen gibt es genug Arbeit und Aufklärungsbedarf für mindestens fünf Ausschüsse. Eine gezielte Untersuchung durch weitere Experten hätte den Ermittlungen sicher schon längst gut getan.

Entzieht sich die Politik womöglich der Pflicht zur zügigen Aufklärung?
Diese Schlussfolgerung wäre sicherlich zu pauschal und auch unfair. Ich glaube, die Politik hat an der Aufklärung selbst sehr großes Interesse. Gut gemeint ist aber auch hier nicht immer gut gemacht. Ein Beispiel: Die ewige Diskussion um den NPD-Verbotsantrag liefert kein überzeugendes Signal für entschlossenes Handeln. Hier haben zu oft die Zögerer und Bedenkenträger die Oberhand.

Welche Konsequenzen sind notwendig?
Eine entschiedene Ermittlung, deren Ergebnisse uns Bürgern auch mitgeteilt werden. Wir wollen unseren Behörden doch vertrauen können. Die zögerliche und wenig überzeugende Informationspolitik bei der Aufklärung ist aber keine vertrauensbildende Maßnahme. Wir Bürger in Deutschland können auch unangenehme Wahrheiten vertragen – man muss sie uns aber auch mitteilen wollen. Und wir brauchen generell viel mehr Engagement gegen die Rechtsextremisten. Wo ist denn der Aufschrei im Land, wo sind die gefühlten Lichterketten? Dass ein faschistisches Killerkommando so viele Jahre lang fast ungehindert wüten konnte, ist ein Fiasko für die Sicherheitsbehörden. Nur mit glaubwürdiger Aufklärung zollt man den Familien der Opfer den nötigen Respekt und hat jetzt die Chance, beschädigtes Vertrauen wiederherzustellen.

Mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden sprach Detlef David Kauschke.

Essay

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  18.09.2025 Aktualisiert

Yad Vashem

Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland: Drei mögliche Standorte ausgewählt

In welchen Bundesländern könnte die Institution gebaut werden? Drei stehen auf der Liste

 18.09.2025

Gazakrieg

Trump: »Ich will, dass die Geiseln sofort freigelassen werden«

Beim Staatsbesuch des US-Präsidenten im Vereinigten Königreich ging es bei einer Pressekonferenz auch um den Gaza-Krieg. Dabei machte Donald Trump eine zentrale Forderung erneut deutlich

 18.09.2025

Initiative

Kampf gegen Judenhass: Bündnis fordert Taten von der Politik

Zahlreiche Persönlichkeiten und Organisationen beteiligen sich an einem Bündnis gegen Antisemitismus. Am Donnerstag traten sie mit einem Fünf-Punkte-Plan an die Öffentlichkeit

 18.09.2025

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Washington D.C.

US-Gericht ordnet Abschiebung von Machmud Chalil an

Den israelfeindlichen Aktivisten würde die US-Regierung gern abschieben. Fehlende Angaben bei seiner Green Card könnten ihm zum Verhängnis werden

 18.09.2025

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025