Verfassungsschutzpräsident

Haldenwang ist raus

Thomas Haldenwang Foto: picture alliance / /photothek.de

Thomas Haldenwang arbeitet nicht mehr als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Mitglieder des Innenausschusses nach Angaben eines Sprechers am Mittwoch darüber informiert, »dass Herr Haldenwang aufgrund seiner angekündigten Kandidatur für den Deutschen Bundestag ab sofort die Amtsgeschäfte als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht mehr wahrnimmt«.

Der Inlandsgeheimdienst soll den Angaben zufolge zunächst durch seine beiden Vizepräsidenten, Sinan Selen und Silke Willems, geleitet werden.

»Das bisherige Amt des BfV-Präsidenten gilt es klar zu trennen von einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag«, sagte Faesers Sprecher. Haldenwang habe das Bundesamt aus Sicht von Faeser umsichtig geführt und angesichts der erheblich verschärften Bedrohungslagen durch islamistischen Terrorismus, durch die russische Aggression sowie durch Rechts- und Linksextremismus eine wichtige und erfolgreiche Arbeit geleistet.

Haldenwang hatte Faeser Anfang der Woche über seine geplante Kandidatur für die CDU in seiner Heimatstadt Wuppertal informiert. Die beiden nahmen am Montagabend gemeinsam an einer Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums in Berlin teil.

In der Unionsfraktion sind viele überrascht

Für viele CDU-Bundestagsabgeordnete kam die Ankündigung des 64-Jährigen überraschend. Dass Haldenwang dem Ruhestand entgegenstrebt, war zwar in Berlin schon seit Monaten ein offenes Geheimnis. Über den Wunsch nach einem Mandat ließ er aber nichts verlauten. Dass er seine Kandidatur nun schon vor dem Ausscheiden aus dem Amt angekündigt hat, liegt wohl an dem früheren Termin der Bundestagswahl, die wegen des Bruchs der Ampel-Koalition nun bereits am 23. Februar stattfinden soll.

Zu Haldenwangs Nachfolge an der Spitze des Bundesamtes machte Faeser nach Angaben von Mitgliedern des Innenausschusses keine Angaben. Hier stellt sich die Frage, ob die Benennung eines Nachfolgers beziehungsweise einer Nachfolgerin kurz vor der geplanten Neuwahl des Bundestages noch sinnvoll wäre.

Auch Maaßen zog es in die Politik

Haldenwang war nach dem Ausscheiden von Hans-Georg Maaßen 2018 von Faesers Vorgänger im Amt, Horst Seehofer (CSU), zum Chef der Behörde gemacht worden. Auch Maaßen war früher Mitglied der CDU. Nachdem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, kam es jedoch allmählich zu einer Entfremdung zwischen ihm und der Partei.

Heute ist Maaßen Vorsitzender der rechtskonservativen Kleinpartei Werteunion. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg erlangte die Werteunion knapp 0,3 Prozent der Stimmen. Maaßen sagte hinterher, das sei absehbar gewesen. Das Ziel sei, 2025 »mit deutlich mehr als 5 Prozent« in den Bundestag einzuziehen.

Haldenwang legt Wert darauf, dass ihn mit Maaßen sowohl politisch als auch von der Persönlichkeit her nichts verbinde. Auf die ständigen Fragen nach seinem Amtsvorgänger reagierte er zu Beginn seiner Amtszeit als Leiter des Verfassungsschutzes erst mit Humor, später zusehends genervt.

Neubewertung der AfD erst nach der Wahl

Und noch ein Zeitplan ist durch die vorgezogene Neuwahl jetzt durcheinander geraten. Die von Haldenwang noch für dieses Jahr angekündigte Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz soll nun erst nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Mit seinem Ausscheiden hat das aber nichts zu tun. Aus Sicherheitskreisen heißt es vielmehr, im Umfeld von Wahlen sei Zurückhaltung geboten. Die Beobachtung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall werde aber fortgesetzt.

Im Mai hatte das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa Observation erlaubt. Der Rechtsstreit geht noch weiter.

Drei Szenarien denkbar

Theoretisch sind drei Szenarien denkbar: Entweder hat sich der Verdacht der Verfassungsschützer nicht bestätigt, dann würde der Inlandsnachrichtendienst die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall beenden. »Ich halte diese Variante für äußerst unwahrscheinlich«, sagte Haldenwang im Oktober.

Oder der Verdacht bestätigt sich. Das hätte dann eine Einstufung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung zur Folge. Möglich wäre aber auch eine weitere Beobachtung als Verdachtsfall mit einer entsprechenden Begründung - etwa falls sich aufgrund noch nicht abgeschlossener interner Vorgänge in der Partei nicht klar sagen lässt, in welche Richtung sich die AfD entwickelt.

Das neue Gutachten werde »unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen innerhalb der Partei« erstellt, sagte Haldenwang damals. Auch »die sichtbaren Vorgänge rund um die Landtagswahlen in Ostdeutschland« spielten dabei eine Rolle.

Der Landesvorstand der sächsischen AfD hatte vergangene Wochen angekündigt, drei Parteimitglieder ausschließen zu wollen, die zur mutmaßlichen militanten rechtsterroristischen Gruppierung »Sächsische Separatisten« gehören sollen. Entscheiden über das Parteiausschlussverfahren muss noch das Landesschiedsgericht der Partei. Bei einer Razzia gegen die eine mutmaßliche Neonazi-Gruppe hatten Einsatzkräfte in Sachsen und Polen acht Männer festgenommen.

Einige Abgeordnete sehen Zeit für AfD-Verbot gekommen

Eine fraktionsübergreifende Gruppe um die Abgeordneten Carmen Wegge (SPD), Marco Wanderwitz (CDU), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler (SSW) reichte am Mittwoch nach eigenen Angaben bei der Bundestagsverwaltung einen Antrag zur Beantragung einer Überprüfung der AfD durch das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 21 des Grundgesetzes ein.

In dem Artikel heißt es unter anderem: »Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.« Bisher zeichnet sich allerdings noch keine Mehrheit für den Antrag im Bundestag ab.

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