Essen

»Überragende Lebensleistung«

Berthold Beitz (1913–2013) Foto: dpa

Der frühere Krupp-Chef Berthold Beitz ist tot. Der Vorsitzende des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung starb am Dienstag im Alter von 99 Jahren, wie die Stiftung am Mittwoch in Essen mitteilte.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, würdigte den Mut und die Mitmenschlichkeit von Berthold Beitz während der Nazizeit, die für immer unvergessen bleiben: »Dass er damals gemeinsam mit seiner Frau sich selbst in Gefahr begab, um jüdische Menschen vor dem sicheren Tod zu retten – das bleibt für uns Juden für alle Zeit seine überragende Lebensleistung.«

Zu Recht habe Bertold Beitz mit seiner Frau daher wichtige jüdische Auszeichnungen erhalten: Sie wurden von Yad Vashem zu »Gerechten unter den Völkern« ernannt und bekamen den höchsten Preis des Zentralrats der Juden, den Leo-Baeck-Preis.

»Berthold Beitz war ein Licht und ein Vorbild in der mörderischen Finsternis der Nazizeit«, so Graumann weiter. Mit seinem Handeln habe er gezeigt, dass man auch in jener Zeit sehr wohl menschlich bleiben konnte, sofern man wirklich wollte. »Die Erinnerung an Berthold Beitz werden wir Juden daher immer in unseren Herzen tragen.«

Manager Berthold Beitz, 1913 in Pommern geboren, wurde im Alter von gerade einmal 27 Jahren als Erdölmanager von der Hamburger Shell in das von der Wehrmacht besetzte Galizien entsendet, in das ostpolnische Städtchen Boryslaw. Ein Ort nahe Lemberg, der seit dem 14. Jahrhundert nachhaltig geprägt war von der jüdischen Schtetl-Kultur. Beitz wurde als kaufmännischer Leiter der Karpaten-Öl AG eingesetzt, einem für die Nazis kriegswichtigen Unternehmen.

In Boryslaw aber stand nicht nur die Förderung des Rohstoffs im Vordergrund. Auch hier ging es den Nazis um ihre Menschenvernichtungspolitik. Eine Ideologie, zu der der in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Beitz eine standhafte Distanz pflegte. Beitz trat weder der NSDAP noch einer ihrer Organisationen bei. »Er mochte die Nazis überhaupt nicht, sie störten sein eher unpolitisches, positives Lebensgefühl«, wie sein Biograf Joachim Käppner in einem 2011 erschienenen Buch erläuterte.

rettung Zwischen 1942 und 1944 nutzte der Unternehmer seine berufliche Stellung, um zahlreichen Juden das Leben zu retten. Wiederholt schritt er dazu den kleinen Bahnhof von Boryslaw ab, wo in den Zugwaggons Juden auf dem Abtransport in die Vernichtungslager warteten. Beitz verlas dort die Namen seiner Fabrikarbeiter, die er als unabkömmliche Rüstungsarbeiter reklamierte und sie damit vor der Deportation bewahrte.

»Als ob ein Engel in die Hölle kam«, berichtete später einer der Überlebenden. Beitz aber tat noch mehr. Er und seine Frau Else versteckten jüdische Kinder in ihrem Haus und in einer Art Pakt mit dem Teufel manipulierte er sogar den SS-Statthalter von Boryslaw, um weitere Menschen vor der Mordmaschinerie der Nazis in Sicherheit zu bringen.

GEWISSEN »Es war die Stimme seines Gewissens, die ihn motivierte«, so erklärt es Käppner. Nach dem Krieg machte Beitz schnell Karriere. Zunächst als Vorstand in einer großen Versicherungsfirma, dann als Generalbevollmächtigter des Stahlkonzerns Krupp. Er formte das Unternehmen zu einem modernen Konzern und zahlte als einer der Ersten im Jahr 1959 Entschädigungen an Zwangsarbeiter.

Nie sprach Beitz nach dem Krieg über die Zeit in Boryslaw. »Aber es fragte ihn auch niemand nach seiner Vergangenheit. Kein Wunder, denn er war ja das personifizierte schlechte Gewissen«, erläutert sein Biograf. Als er sich in den 50er-Jahren mit den Mächtigen in Moskau und Warschau traf und die Ostpolitik vorwegnahm, zweifelte Kanzler Adenauer an seiner »nationalen Zuverlässigkeit«.

Selbst als Berthold Beitz am 3. Oktober 1973 in Yad Vashem zum »Gerechten unter den Völkern« ernannt wurde, regte sich Widerstand, auch von jüdischer Seite. Der Unternehmer sollte als einer der ersten formalen Vertreter der Besatzungsmacht geehrt werden. Das passte vielen nicht. Eine israelische Kommission konnte diese Vorbehalte jedoch ausräumen, bevor sie Beitz (und später seiner Frau Else) die verdiente Ehrung zukommen ließ.

Reisen

Israelischer Reisepass verliert an Wert

Visafrei können Israelis in nur noch 165 Staaten der Welt reisen. Wie sieht es mit den Inhabern deutscher Pässe aus?

 17.10.2025

Washington D.C.

»Ich liebe Hitler«: Antisemitismus-Skandal bei »Jungen Republikanern«

In nun veröffentlichten Chats wird der Holocaust verharmlost, die Sklaverei verteidigt und Gewalt gegen politische Gegner befürwortet

 17.10.2025

Großbritannien

Starmer kritisiert Fanverbot für Maccabi Tel Aviv: »Falsche Entscheidung«

»Wir werden Antisemitismus auf unseren Straßen nicht tolerieren«, versichert der Premierminister

von Imanuel Marcus  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Washington

Trump droht Hamas mit dem Tod

Die palästinensische Terrororganisation will ihre Herrschaft über Gaza fortsetzen. Nun redet der US-Präsident Klartext

von Anna Ringle  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Jakarta

Zwischen Schalom und Boykott

Staatschef Subianto hatte zuletzt Friedensbotschaften an Israel ausgesendet. Bei den Turnweltmeisterschaften in Jakarta sind israelische Sportler hingegen nicht willkommen

von Michael Thaidigsmann  16.10.2025

Hamburg

Zeuge vermittelte Kontakt vor Entführung der Block-Kinder

Wie kamen die mutmaßlichen Entführer in Kontakt mit der Familie Block? Diese Frage beschäftigt das Landgericht Hamburg derzeit im Prozess. Eine israelische Sicherheitsfirma spielt weiterhin eine Rolle

von Stephanie Lettgen  16.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025