Olympia

Terrorangst in London

Militärisches Großaufgebot: Mehr als 10.000 Soldaten sollen die Olympischen Spiele schützen. Foto: Getty

Einen schweren Schlag gegen die jüdischen Gemeinden» will Al-Qaida während der Olympischen Spiele in London ausführen. So heißt es in einem Dokument, das den Titel «International Operations» trägt und das am Körper eines in Somalia erschossenen führenden Aktivisten des Terrornetzwerks gefunden wurde. Dieser 38-jährige Fazul Abdullah Mohammed war im vergangenen Jahr in Somalia von Soldaten getötet worden, als er versucht hatte, mit seinem Auto eine Sperre zu durchbrechen.

Die Dokumente, die bei Fazul gefunden wurden und die der kanadischen Tageszeitung «Toronto Star» vorliegen, zeigen konkrete Anschlagspläne gegen Hotels, gegen die Eliteschule in Eton und gegen die Londoner Stadtviertel Stamford Hill und Golders Green, in denen, so das Dokument, «Zehntausende von Juden in einem kleinen Bereich zusammengepfercht sind». Weiter heißt es: «Die Angriffe müssen von einer sorgfältig vorbereiteten Medienkampagne begleitet werden», es gelte, «muslimische Jugendliche zu inspirieren, es nachzumachen». Ausgeführt werden sollen die Taten von Kämpfern der somalischen islamistischen Terrorgruppe Al-Shahab, die mit Al-Qaida verbunden ist.

authentisch Ob die von «Toronto Star» veröffentlichten Dokumente authentisch sind, lässt sich nicht mit absoluter Gewissheit sagen. Innenministerium und Polizei in London äußern sich nicht dazu. Sicher ist aber, dass besagter Fazul Abdullah Mohammed 1998 in die Bombenattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania mit 224 Toten verwickelt war und dass er als enger Vertrauter des getöteten Al-Qaida-Führers Osama bin Laden galt. Ob nach Fazuls Tod die Planungen fortgeführt wurden, lässt sich nicht sagen.

Was die Gefahr eines Terroranschlags auf die Olympischen Spiele, die am Freitag, dem 27. Juli, eröffnet werden, jedoch als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt, sind die bisherigen Planungen Al-Qaidas bei sportlichen Großveranstaltungen. Am spektakulärsten waren die Pläne für die Fußball-WM 1998 in Frankreich, die – auch wenn sie offiziell nie an die große Glocke gehängt wurden – als verbürgt gelten können. Zum WM-Eröffnungsspiel England gegen Tunesien in Marseille sollte eine zu Al-Qaida zählende «Groupe Islamique Armé» in den Innenraum des Stadions eindringen und vor laufenden Kameras zunächst den englischen Torwart David Seaman erschießen, dann die Spieler Alan Shearer und David Beckham. Parallel dazu sollte das Hotel der amerikanischen Nationalelf, die sich das Spiel im Fernsehen anschauen wollte, gestürmt werden.

Die Belege für diese Tat, die zwei Wochen vor Beginn der WM durch Verhaftung der potenziellen Täter vereitelt wurde, liegen seit einigen Jahren vor. Der britische Journalist Adam Robinson hat sie in dem Buch Terror on the Pitch (2002) ausgebreitet, auch der FAZ-Redakteur Jürg Altwegg schrieb in Ein Tor, in Gottes Namen (2006) darüber. Auch für die WM 2002 in Japan und Südkorea waren Anschläge geplant, wie Scheich Schalid Mohammed, ein in den USA verhafteter Hintermann der Anschläge vom 11. September 2001, zugab.

sicherheitslücke Was die jetzt im Vorfeld der Spiele bekannt gewordenen Pläne noch dramatischer macht, ist eine Meldung, die von der englischen Zeitung «Observer» verbreitet wurde: dass am Londoner Flughafen Heathrow seit Anfang des Monats Juli in mindestens drei Fällen Männer, die beim Londoner Innenministerium als terrorverdächtig gelten, einfach durchgewunken wurden. Auch hier verweigern Ministerium und Polizei jede Auskunft.

Nach britischen Medienberichten hat die Regierung in London weitere 3.500 Soldaten in die Hauptstadt beordert, um etwa 100 Veranstaltungsorte und als sensibel eingeschätzte Plätze zu schützen. Hintergrund für die Aufstockung ist, dass die Sicherheitsfirma, die das Personal stellen sollte, sich übernommen hat.

Das Sicherheitskonzept, mit dem die Polizei das Sportereignis schützen will, gilt als eines der weitreichendsten in der Geschichte der Olympischen Spiele. Insgesamt werden 17.000 Armeeangehörige im Einsatz sein. Hinzu kommen 12.500 Polizisten und vom britischen Geheimdienst MI5 weitere 3.800 Agenten. Private Sicherheitsfirmen stellen 16.000 Mitarbeiter. Nach Angaben der israelischen Zeitung Maariv wird das israelische Olympiateam von Agenten des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet begleitet.

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025