Meinung

Taring Padi hält die Öffentlichkeit zum Narren

Joshua Schultheis Foto: Charlotte Bolwin

Meinung

Taring Padi hält die Öffentlichkeit zum Narren

Die Verhüllung ihres Wandgemäldes auf der documenta ist kein Kompromiss, sondern eine inszenierte Kunst-Aktion

von Joshua Schultheis  21.06.2022 15:14 Uhr

Dem Künstlerkollektiv Taring Padi ist ein echter Coup gelungen. Denn was wie ein kulturpolitischer Kompromiss aussieht, ist in Wirklichkeit eine Kunst-Aktion: Mit der Verhüllung des antisemitischen Wandgemäldes »People’s Justice« und seiner Umwidmung zu einem »Denkmal der Trauer« hält Taring Padi seine Kritiker und die gesamte Öffentlichkeit zum Narren.

Von Einsicht ist bei der indonesischen Künstlergruppe nämlich keine Spur. Ohne jeden Selbstzweifel behaupten sie, das Werk stehe »in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung«. Auf dem zehn Mal zehn Meter großen Wandbild ist eine Figur zu sehen, die mit ihren Schläfenlocken klar als orthodoxer Jude zu erkennen ist. Auf ihrem Hut trägt sie eine »SS«-Rune, hat blutrote Augen und Vampirzähne. An einer anderen Stelle marschiert ein Soldat mit Schweinsnase, auf dem Helm steht »Mossad« und auf seinem Halsband prangt ein Davidstern.

Taring Padi ignorieren ihre Kritiker und inszenieren sich als Opfer von Zensur.

Die Behauptung des Kollektivs, diese antisemitischen Motive seien »kulturspezifisch auf unsere eigenen Erfahrungen bezogen« und daher falsch interpretiert worden, ist unhaltbar. Die Darstellung von Juden als Schweine oder blutrünstige Vampire - und ihre visuelle Verschränkung mit Nationalsozialismus und Militarismus - sind ganz sicher nicht »kulturspezifisch«, sondern kontextunabhängig lupenreiner Antisemitismus. Sie sind ein prägendes Element sowohl des jahrhundertalten Judenhasses europäischer Herkunft als auch des globalen israelbezogenen Antisemitismus postkolonialer Couleur.

Abwehrreflex Taring Padi meint, ihr Werk werde lediglich in dem »speziellen Kontext in Deutschland als beleidigend empfunden«, und bedient damit einen üblichen Abwehrreflex von Antisemiten: Die Deutschen können einfach nicht objektiv über Israel und die Juden reden. Das aber ist eine Ohrfeige für die vielen jüdischen Kritiker des Wandgemäldes – darunter der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Ihnen müsste in der Debatte eigentlich viel mehr Gehör geschenkt werden.

Stattdessen ignorieren Taring Padi sie und präsentieren sich in einer Performance als Opfer von Zensur. Mit dem publikumsfreundlich inszenierten Herablassen schwarzer Tuchbahnen vor ihr antisemitisches Wandgemälde hat das Kollektiv ein »Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment« geschaffen.

Doch genau mit dieser Aktion hat Taring Padi die »Unmöglichkeit des Dialogs« endgültig selbst besiegelt. Sie haben gezeigt, dass weder sie noch die Verantwortlichen der documenta in der Lage sind, ihre eigenen antisemitischen Entgleisungen zu regulieren. Die Verantwortung dafür muss ihnen endlich abgenommen werden – und das Wandgemälde gleich mit.

Schultheis@juedische-allgemeine.de

Hanau

Antisemitisches Plakat an Schule: Staatsschutz ermittelt

In einem angrenzenden Park gab es eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde. Besteht ein Zusammenhang?

 30.04.2025

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025