Studie

Starker Anstieg antisemitischer Taten im Südwesten

Eine Polizistin vor dem Gemeindezentrum und Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in der Hospitalstraße in Stuttgart (2019) Foto: imago images/Jan Zawadil

Laut einer Studie sind Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg in verschiedensten Lebensbereichen von Antisemitismus betroffen. Studien-Co-Autor Daniel Poesgen nannte Antisemitismus »eine alltagsprägende Erfahrung« für viele Juden in Baden-Württemberg. Susanne Jakubowski, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, sagte bei der Vorstellung der Studie am Dienstag in Stuttgart, Antisemitismus sei »eine Art Hintergrundrauschen für jedwedes jüdisches Leben, das einen immerfort begleitet«.

BELEIDIGUNGEN Die Studie beschreibt exemplarisch Vorfälle, Übergriffe und Straftaten: So sei eine Frau mit einem Davidstern-Schmuckanhänger in einem Bus als »Judenhure« beleidigt worden; eine jüdische Schülerin habe berichtet, ihr sei in der Schule gedroht worden, sie gehöre »in die Gaskammer«. Eine Mutter erzählte den Studienautoren, ihr sei bei der Grundschul-Abschlussfeier ihrer Tochter gesagt worden, »die Juden« seien mitschuldig am Holocaust.

Jüdinnen und Juden berichteten laut Studie auch davon, dass sie sich nicht mehr trauten, Zeichen ihres Glaubens offen zu leben. Der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, sagte, zunehmend würden Familien aus Angst vor Anfeindungen ihre Kinder nicht mehr zu Gottesdiensten oder jüdischem Religionsunterricht schicken. Eine Frau berichtete, sie habe eine bereits zugesagte Mietwohnung nicht beziehen können, weil die Vermieterin Angst vor antisemitischen Angriffen auf ihre Immobilie gehabt habe.

MELDESTELLE Der Sprecher der Jugendstiftung Baden-Württemberg, Günter Bressau, verwies auf Zahlen des Projekts »Meldestelle #Antisemitismus«. Dort seien 2020 rund 200 und im ersten Halbjahr 2021 etwa 300 antisemitische Vorfälle gemeldet worden. Die allermeisten bezögen sich auf Online-Hetze. Der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume, sieht eine »digitale Radikalisierung, die noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat«.

Die Studie wurde vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (Rias) in Kooperation mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften sowie mit dem Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus erarbeitet. Die Basis bildeten Befragungen von 20 jüdischen Bürgern; auch wurden die Polizeistatistik und Informationen von zivilgesellschaftlichen Initiativen ausgewertet.

Die Studie bezieht sich auf 2014 bis 2018. In diesem Zeitraum erfasste die Polizeistatistik im Land 671 antisemitische Straftaten. Die Dunkelziffer und die Zahl von Vorfällen, die unterhalb der Schwelle einer Straftat fielen, sei sehr hoch, so die Studienautoren. kna

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025