Nahost

Streit unter Partnern

Hysterie? Israels Premier Benjamin Netanjahu warnte auf der UN-Vollversammlung 2011 vor der iranischen Bombe. Foto: dpa

John Kerry tobt, und Benjamin Netanjahu ist wütend. Der amerikanische Außenminister besuchte die Vereinigten Arabischen Emirate und wies von dort aus den israelischen Premierminister zurecht: »Wie kann man einen Vertrag kritisieren, der noch gar nicht fertig ausgehandelt ist?« Der israelische Premier beharrte aber auf seiner Ansicht, dass der Deal mit den Iranern, an dem die USA derzeit arbeiten, »schlecht« sei. Es dürfe keine Lockerung der mühsam durchgesetzten Sanktionen geben ohne einen Rückbau der Zentrifugen zur Urananreicherung und ohne einen Abriss des Schwerwasserreaktors von Arak, denn darin könne nur Plutonium für Atombomben produziert werden.

atomprogramm »Belgien erzeugt auch Atomkraft und benötigt keine einzige Zentrifuge«, sagte der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon und warnte den Westen vor der Charmeoffensive des iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Sobald die Sanktionen aufgehoben oder gelockert seien, werde sich der Iran nicht mehr genötigt sehen, über sein Atomprogramm zu verhandeln.

Die sonst zerstrittenen israelischen Politiker sind sich in der Iranfrage weitgehend einig. Allein Oppositionschefin Schelly Jachimowitsch (Arbeitspartei) äußerte Sorge wegen des offen ausgetragenen Streits mit der Obama-Administration: Die Freundschaft zu den USA habe »strategische Bedeutung«. Doch auch sie stimmt »ausnahmsweise« mit dem von ihr heftig kritisierten Premier in der Iranpolitik überein.

telefonate Seit über 15 Jahren gehören Warnungen vor dem iranischen Atomprogramm zur israelischen Außenpolitik. Netanjahu telefonierte in dieser Sache mit fast allen Verantwortlichen der Welt, darunter US-Präsident Barack Obama, der russische Präsident Wladimir Putin, Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und der britische Premier David Cameron.

Doch mittlerweile ist der Eindruck entstanden, als sei die Regierung von Barack Obama mehr an einer Beilegung ihres alten Streits mit Teheran interessiert, als daran, dass der Iran seine atomaren Ambitionen aufgibt. Wesley Clark, ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber und heute Unterstützer Obamas, stellte in Israel die amerikanischen Überlegungen vor: Einerseits seien sowohl die amerikanische Verpflichtung, für Israels Sicherheit zu sorgen, als auch das Ziel, eine Atommacht Iran zu verhindern, keine Lippenbekenntnisse. Gleichzeitig jedoch seien die Amerikaner nach zwei gescheiterten Kriegen, in Afghanistan und im Irak, kriegsmüde geworden.

Genau hier liegt der Kern der Meinungsverschiedenheiten. Die Amerikaner glauben, einen Krieg verhindern zu können, wenn sie auf den Iran zugehen und die Sanktionen lockern. Israel hingegen sieht seine Existenz gefährdet. Auf der Generalversammlung der Jewish Federations of North America wandte sich Netanjahu deshalb an die Juden der Diaspora mit der Bitte, sein Land zu unterstützen.

prinzipien Diese Warnungen stoßen in den USA zunehmend auf Unverständnis: Netanjahu habe mit seinen Telefonaten eine »hysterische Opposition« gegen die Verhandlungen in Genf geschaffen, schrieb etwa die New York Times in einem Leitartikel über den »Spielverderber« Israel.

Die Diskussion ist eine Prinzipienfrage. Die US-Politik wird in Israel oft als »Appeasement« charakterisiert – mit dem Wort also, das die Politik der vermeintlichen »Besänftigung« Hitlers vor dem Zweiten Weltkrieg beschreibt. In diese Kategorie fallen Netanjahus Erklärungen zu »Israels Recht auf Selbstverteidigung« und dass man zur Not alleine zuschlagen werde, falls niemand anderes die iranische Atombombe verhindere.

vertrauen Die Spannungen zwischen dem innenpolitisch geschwächten Obama und dem in Israel mangels Alternative sehr starken Netanjahu haben aber noch einen weiteren Hintergrund: Die USA haben nicht nur in Afghanistan und im Irak ihre jüngsten Kriege verloren, sondern auch Sympathien in vielen arabischen Ländern. Die Sperrung der amerikanischen Militärhilfe für Ägypten hat Zweifel an der amerikanischen Treue aufgeworfen. Auch Obamas Ablehnung eines Militärschlags gegen Syrien sorgt für Zweifel nicht nur im jüdischen Staat.

In Israel kommt auch noch Ärger über Kerrys Drohungen im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen hinzu. Wegen der »illegalen Siedlungen« hatte Kerry von einer »Dritten Intifada« gesprochen und mit dem Scheitern der Friedensverhandlungen gedroht. Kritik an den Palästinensern aber war vom US-Außenminister nicht zu hören.

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