Politik

»Strafmaß verschärfen«

Thomas Strobl Foto: imago images/Political-Moments

Herr Minister, im Mai gab es bei Protesten gegen Israel antisemitische Vorfälle. In Ulm wurde ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt. Schläft der Rechtsstaat?
Der Rechtsstaat ist hellwach. Diejenigen, die Hass und Hetze säen, werden seine volle Härte zu spüren bekommen. Wir dulden bei uns keinen Antisemitismus, auch dann nicht, wenn er sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit verbreitet. Denn die endet dort, wo sie die Rechte anderer verletzt oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Zersprungene Fenster an deutschen Synagogen sind nicht nur Sachbeschädigungen, sie lassen schlimmste Erinnerungen wach werden.

Können Demos vor jüdischen Einrichtungen also künftig verboten werden?
Wir haben bei der Innenministerkonferenz letzte Woche beschlossen, eine Handreichung mit bundesweit einheitlichen Standards und Vorgaben zum Umgang mit antiisraelischen Versammlungen vor Synagogen zu erarbeiten.

Wie konsequent ahnden Polizei und Justiz antisemitische Vorfälle?
In Baden-Württemberg hatten wir im ersten Quartal 2021 insgesamt 55 Fälle antisemitischer Straftaten. Die meisten davon standen in Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Zahlen für das laufende Quartal liegen noch nicht vor, freilich sind unsere Sicherheitsbehörden sehr sensibilisiert. Jüdinnen und Juden in Deutschland müssen nicht nur sicher sein, sie müssen sich hier auch sicher fühlen. Wir wollen deshalb Zentralratspräsident Josef Schuster zur nächsten Innenministerkonferenz einladen. Und wir machen uns dafür stark, das Strafmaß bei antisemitisch motivierten Taten empfindlich zu verschärfen.

Was bedeutet das konkret?
Wir werden bei Volksverhetzung höhere Strafen in Betracht ziehen, ebenso beim Landfriedensbruch, und zwar dort, wo dieser sich gegen öffentliche Gebäude und Einrichtungen von Religionsgemeinschaften richtet.

Sie haben an der Einstufung antisemitischer Straftaten als »rechts« Kritik geübt und eine Änderung der Definition der Polizeilichen Kriminalstatistik gefordert. Ist das nicht eher nebensächlich?
Nein, da geht es nicht um statistische Feinheiten. Wenn wir das Übel an der Wurzel packen und die Ausbreitung des Antisemitismus frühzeitig erkennen wollen, müssen wir wissen, was die Ursache ist. Solche Straftaten werden zum Großteil, freilich nicht ausschließlich, durch die rechtsextremistische Szene verübt. Wenn Hintergründe von antisemitischen Straftaten unklar sind, werden diese aktuell statistisch regelmäßig der rechtsextremen Szene zugeordnet. Das gibt die Realität aber nur bedingt wieder. Deshalb setze ich mich dafür ein, die Erfassungspraxis bei antisemitischen Straftaten bundesweit anzupassen – so wie wir es in Baden-Württemberg bereits getan haben.

Das Interview mit dem baden-württembergischen Innenminister führte Michael Thaidigsmann.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025