Gaza-Flottille

Spiel nicht beim Juden

Den Boykott vor Augen: eine Demonstration in Paris gegen die Gaza-Blockade Foto: ddp

Heiß ging es her im schottischen Edinburgh. »Mehrere Hundert Personen hatten symbolisch den Eingang des israelischen Handelskonzerns Marks & Spencer blo-ckiert. Sie forderten dabei in Sprechchören einen Boykott Israels, Sanktionen und ein Freies Palästina.« So berichtete voller Euphorie die linksradikale Zeitung »Socialist Worker« über eine Demonstration anlässlich der israelischen Kommandoaktion vor Gaza. »Aber Marks & Spencer ist kein israelisches, sondern ein multinationales Unternehmen. Und wenn man schon ein nationales Label benutzt, dann bitte britisch und nicht israelisch«, kommentierte der irische Journalist Jason Walsh. »In diesem Fall bedeutet israelischer Handelskonzern nichts anderes als jüdischer Handelskonzern.« Schließlich waren die Gründer des weltbekannten Kaufhauses, in dem angeblich selbst die Queen ihre Unterwäsche einkaufen lässt, jüdische Einwanderer aus Osteuropa. Entsprechend lautet Walshs Urteil: »Das ist eindeutig Antisemitismus.«

Umfrage Solche Feinheiten scheinen diejenigen, die Israel durch wirtschaftliche, politische oder kulturelle Ausgrenzung in die Knie zwingen wollen, kaum zu interessieren. In den vergangenen Wochen häuften sich die Meldungen über solche Boykottaktionen. Begründet werden sie stets mit den Ereignissen vor der Küste Gazas. So kündigten etwa die rund 1.500 Mitglieder der schwedischen Hafenarbeitergewerkschaft an, einen Monat lang keine israelischen Schiffe mehr zu entladen. 9,5 Prozent aller Norweger erklärten laut einer Umfrage, sowieso längst einen Bogen um israelische Waren zu machen, weitere 33,5 Prozent wollen dies in Zukunft tun. Und die französische Kinokette Utopia, auf deren Homepage Hammer und Sichel zu sehen sind, schmiss kurzerhand den Spielfilm A 5 heures de Paris des israelischen Regisseurs Léon Prudovsky aus dem Programm. Aus »moralischer Verpflichtung«, laut Besitzer.

Den Vogel schossen die Organisatoren der spanischen Gay-Pride-Parade in Madrid ab: Man möchte nicht, »dass unser Festumzug durch gewalttätige Tumulte in die Schlagzeilen gerät«, sagte Antonio Póveda von der »Federación Estatal de Lesbianas, Gays, Transexuales y Bisexuales« und lud kurzerhand die israelische Homosexuellenorganisation Aguda wieder aus. Offen blieb die Frage, von wem eigentlich die Tumulte hätten ausgehen können. In den USA sind es »Quit – Queers against Israeli Terrorism«, die sich für einen Ausschluss israelischer Gruppen von allen Gay-Paraden stark machen und gegen das Sponsoring schwul-lesbischer Filmfestivals durch das israelische Konsulat in San Francisco Sturm laufen. Ihnen zufolge hat die in Israel herrschende Gleichberechtigung von Homosexuellen nur eine Feigenblattfunktion für die »Apartheid-Politik«.

Konzertabsage Kalte Füße bekamen auch viele Musiker. So sagten Anfang Juni die Pixies ihr erstes Konzert in Israel ab, die Gorillaz, Klaxon und andere folgten. Sie reagierten damit auf den Druck von Aktivisten wie der PLO-nahen »Palästinensischen Kampagne für einen akademischen und kulturellen Boykott Israels« (PACBI). Wie die BBC berichtete, befürchteten Musiker wie Elvis Costello und Carlos Santana, dass ihre Auftritte als politischer Akt hätten interpretiert werden können. Dazu der israelische Konzertveranstalter Shuki Weiss: »Ich bin traurig, dass unsere Versuche, hochkarätige Acts und Festivals zu präsentieren, einer Form des kulturellen Terrorismus gegen Israel und die Künste zum Opfer fielen.« Dennoch gehen Israelis mit dem Thema recht gelassen um, schließlich gibt es Boykottversuche schon so lange wie den jüdischen Staat. Will man seinen eigenen Un- mut über die Politik anderer Länder bekunden, bedarf es keiner organisatorischen Form. Wie im Falle der Türkei bleiben dann einfach die israelischen Touristen aus. Jugendliche, die einen Boykott gegen H&M im Tel Aviver Azrieli Center organisieren wollten, weil der Modekonzern einen Teil seiner Waren in der Türkei fertigen lässt, werden eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Zumal seit der Eröffnung der ersten H&M-Filiale in Israel die Schweden selbst zur Zielscheibe anti-israelischer Kampagnen geworden sind.

Dennoch gibt es auch im jüdischen Staat zornige Boykottaufrufe. Wie MetallIsrael.com berichtet, riefen die Fans der Hardrock-Combo Metallica zum Boykott des geplanten Konzertes auf: Ticketpreise für 160 Dollar und mehr hatten die Gemüter in Wallung gebracht.

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

USA

Netanjahu will trotz Mamdanis Warnung nach New York kommen

Der designierte Bürgermeister will Wege prüfen, den Haftbefehl des IStGH zu vollstrecken. Der israelische Regierungschef lässt sich davon nicht abschrecken

 04.12.2025

Verteidigung

Bundeswehr nimmt Raketenwehrsystem Arrow 3 in Betrieb

Deutschland baut als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Luftverteidigung aus und hat ein System in Israel beschafft. Es soll feindliche Flugkörper schon in größter Höhe zerstören können

von Carsten Hoffmann  03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Prozess

Opfer des Attentats am Holocaust-Mahnmal hörte »Allahu akbar«-Ruf

Dem spanischen Touristen Iker M. wurde im Februar von einem 19-jährigen Syrer beim Besuch des Berliner Holocaust-Mahnmals mit einem Messer in die Kehle geschnitten. Vor Gericht berichtete er von Angstzuständen, die er seitdem hat

 03.12.2025