Halle

Sachsen-Anhalt sichert Schutz jüdischer Einrichtungen vertraglich zu

Reiner Haseloff, Ministerpräsident und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) unterzeichneten den Vertrag mit Max Privorozki (M.), dem Vorsitzenden des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Foto: dpa

Bereits seit 2006 gibt es in Sachsen-Anhalt einen Staatsvertrag zwischen Land und jüdischer Gemeinschaft. Demnach fließt rund eine Million Euro jährlich aus dem Landeshaushalt an die Gemeinden. Eigentlicher Sinn und Zweck des Zuschusses ist die Förderung des jüdischen Lebens im Land. Doch aus den Mitteln mussten bislang auch Sicherungsvorkehrungen an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen finanziert werden.

ZUSATZVEREINBARUNG Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 stellte sich die Frage, ob jüdisches Leben damit ausreichend geschützt ist. Auch die Polizei musste sich bohrende Fragen gefallen lassen. Wie konnte es sein, dass niemand wusste, dass Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag, anstand?

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte am Dienstag nach einer außerordentlichen Sitzung seines Kabinetts in der Saalestadt, man sei sich der besonderen Situation und des bevorstehenden Jahrestages des Attentats bewusst und habe deshalb eine Zusatzvereinbarung zu baulich-​technischen Sicherungsmaßnahmen mit der jüdischen Gemeinschaft für die Jahre 2020 und 2021 unterzeichnet.

Daneben haben sich Landesregierung und der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt auf den Entwurf eines neuen Staatsvertrages verständigt, der den Staatszuschuss bis zum Jahr 2026 sichern soll.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Mit dem Geld sollen die Wartung und Instandhaltung von Sicherheitsanlagen sowie Wachdienstleistungen an Synagogen und anderen Einrichtungen, die dem jüdischen Gemeindeleben dienen, finanziert werden. Für 2020 sind demnach rund 890.000 Euro für derartige Maßnahmen vorgesehen, im Haushaltsjahr 2021 wurden zusätzlich 1,5 Millionen eingeplant. Die Zustimmung des Landtags zu dieser Vereinbarung steht allerdings noch aus.

KONTROVERSE Über die Vergabe der Mittel soll eine Kommission entscheiden, zu der neben Vertretern der jüdischen Gemeinschaft und des Landes Experten des Zentralrats der Juden in Deutschland hinzugezogen werden sollen.

Darüber hinaus kündigte der Innenminister Sachsen-Anhalts und CDU-Landesvorsitzende Holger Stahlknecht an, auch das Versammlungsrecht zu verschärfen, um künftig konkreter gegen rechtsextremistische und andere Provokationen vorgehen zu können. Kritik an seinen Äußerungen Ende letzter Woche, als Stahlknecht gesagt hatte, zusätzliche Stunden bei der Bewachung jüdischer Einrichtungen könnten Verzögerungen bei anderen polizeilichen Aufgaben zur Folge haben, wies der Innenminister zurück.

Ministerpräsident Haseloff kündigte eine »knallharte Analyse« zum Judenhass und zu Vorurteilen in der Gesellschaft an.

»Ich habe gesagt, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen und jüdischen Lebens absolute Priorität hat, dass das durchgesetzt wird, dass wir andere priorisierte Polizeiaufgaben nach wie vor mit der gleichen Intensität wahrnehmen und dass es nicht priorisierte Einsätze gibt, wo man dann entsprechende Reaktionsmuster braucht.« Für ihn sei der Schutz jüdischen Lebens nicht verhandelbar, fügte Stahlknecht hinzu.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte Stahlknecht für seine Aussage zuvor scharf kritisiert und ihm den Rücktritt nahegelegt. Der Innenminister sagte, es handele sich hierbei um ein »Missverständnis«, über das er persönlich »erschüttert« sei.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Ebenfalls beschlossen wurde ein »Landesprogramm für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus«. Das Judentum habe seit der Wiedervereinigung wieder Fuß gefasst im Land und sei »Bestandteil unserer kulturellen Vielfalt«, betonte Ministerpräsident Haseloff. »Und es soll auch eine gute Zukunft bei uns haben«, fügte er an. Für Antisemitismus sei in Sachsen-Anhalt kein Platz. Man wolle vor allem in der Prävention und Früherkennung besser werden, sagte er.

Haseloff kündigte eine »knallharte Analyse« zum Judenhass und zu Vorurteilen in der Gesellschaft an. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Dokumentationszentrum RIAS werde dazu aktuell eine Studie erstellt. Er betonte, es sei wichtig, jüdisches Leben zum »inneren Bestandteil unserer gesellschaftlichen Entwicklung« zu machen. Genauso wichtig sei auch der Austausch mit Israel – Haseloff, der in Kürze den Bundesratsvorsitz übernehmen wird, will in dieser Funktion kommendes Jahr auch wieder den jüdischen Staat besuchen.

KALENDER Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, lobte die Vereinbarung mit der Landesregierung. Es sei wichtig, die Gesellschaft zu sensibilisieren für jüdisches Leben. Mit Hinblick auf die Polizistenausbildung betonte Privorozki, man dürfe dort nicht über die Schoa sprechen, sondern müsse die ganze Geschichte des Judentums vermitteln.

In einem Punkt, so Reiner Haseloff, habe man schon Fortschritte gemacht: Seine Regierung habe nämlich einen Kalender herausgegeben, in dem die jüdischen Feiertage vermerkt sind. mth

Diskussion

»Die kommenden vier Jahre sind entscheidend«

Im neuen Talkformat »Tachles Pur« analysierten vier Hauptstadtjournalisten Positionen der Parteien und ihrer Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl

von Ralf Balke  11.02.2025

Berlin

Gedenkort für früheres jüdisches Altenheim gefordert

Die Einrichtung stand dort, wo sich heute das Haus der Statistik befindet

 11.02.2025

Madrid

Der Likud bandelt mit den »Patrioten für Europa« an

Die Netanjahu-Partei erhält bei der rechten europäischen Sammlungsbewegung Beobachterstatus, FPÖ-Chef Kickl jubelt über das Ende der »internationalen Isolation«

von Michael Thaidigsmann  11.02.2025

Leer/Hamburg/Berlin

Trotz Steinmeier-Appell: Schoa-Überlebender gibt Orden zurück

Albrecht Weinberg wird sein Bundesverdienstkreuz zurückschicken – aus Protest gegen das Vorgehen der CDU im Bundestag. Weder der Bundespräsident, noch der CDU-Chef konnten ihn offenbar umstimmen

 11.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025

FU Berlin

Francesca Albanese soll an der FU Berlin sprechen

Nach der Absage an der LMU München soll die UN-Sonderbeauftragte nun in der Hauptstadt sprechen

 10.02.2025

München

»Die AfD ist die stärkste Bedrohung für jüdische Menschen in Deutschland«

Charlotte Knobloch äußert sich zum Vorgehen der Union Woche im Bundestag. Die AfD hatte zusammen mit CSU/CSU und FDP für eine Verschärfung des Asylrechts gestimmt

von Imanuel Marcus  10.02.2025

Interview

»Es gab keine Zusammenarbeit mit der AfD«

Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz über die Brandmauer zur AfD, den Schutz jüdischen Lebens und die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel

von Joshua Schultheis, Philipp Peyman Engel, Tobias Kühn  10.02.2025

Meinung

Da kann man sich gleich Björn Höcke einladen

UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hätte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sprechen sollen. Dabei hat sie sich für den akademischen Diskurs disqualifiziert

von Ralf Balke  10.02.2025