Meinung

Polen: Gesetz trifft auch Überlebende

Gabriele Lesser Foto: Adam Chełstowski / FORUM

Nur selten erlebt ein Staat ein solches Desaster seiner Außenpolitik wie zurzeit Polen. Wegen seiner Kritik an dem Gesetz »Zum Schutz des guten Rufes Polens« hat die Warschauer Regierung nun den Besuch des israelischen Bildungsministers Naftali Bennett abgesagt. Ein Affront, den der Minister mit einem abgewandelten Bibelzitat beantwortete: »Das Blut polnischer Juden schreit aus dem Boden, und kein Gesetz wird es zum Schweigen bringen.«

Der Originalsatz ist am Warschauer Denkmal des Umschlagplatzes eingemeißelt. Von hier deportierten die Nazis 300.000 Warschauer Juden nach Treblinka. Mit dem Bibelzitat »Ach Erde, bedecke nicht mein Blut, auf dass mein Wehklagen keine Ruhestätte finde!« waren bislang nur die ungeheuren Verbrechen, die Deutsche und Österreicher an jüdischen Polen verübt hatten, gemeint.

unterschrift Doch nun gilt der Satz auch für die Verbrechen derjenigen Polen, die mit den Nazis kollaborierten oder Juden eigenhändig umbrachten. Bennett sollte sowohl über polnische Judenretter als auch über »Schmalzowniks« (Judenverräter) sprechen, über gute und schlechte Taten also. Doch seine Kritik genügte zur Ausladung. Polens Präsident unterschrieb mittlerweile das Gesetz.

Wer künftig »öffentlich und entgegen den Tatsachen dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für die durch das Dritte Reich begangenen Naziverbrechen (…) oder für andere Straftaten, die Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen darstellen« zuschreibt, »unterliegt einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren«.

Das Problem: Es geht gar nicht um den missverständlichen Ausdruck »polnisches KZ«, sondern um tatsächliche polnische Verbrechen, über die künftig auch Schoa-Überlebende nicht mehr sprechen oder schreiben dürfen. Tun sie es doch, können sie demnächst von Nachfahren der polnischen Täter verklagt werden. Nicht nur Israel ist entsetzt.

Die Autorin ist freie Journalistin in Warschau.

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024

Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

In der Fasanenstraße werden in einem Container die Bedingungen der Geiseln in Gaza simuliert

von Pascal Beck  22.04.2024

Rechtsextremismus

»Höckes Sprachgebrauch ist ein klarer Angriff - und erfolgreich«

Der Soziologe Andreas Kemper zu Strategien des AfD-Politikers

von Nils Sandrisser  22.04.2024

Frankreich

Französischer Bürgermeister zeigt Hitlergruß - Rücktrittsforderungen

Die Präfektur Val-de-Marne will die Justiz einschalten

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Österreich

Vier Deutsche nach Gedenkbesuch bei Hitlers Geburtshaus angezeigt

Die Verdächtigen waren nach Braunau gefahren, um dort weiße Rosen niederzulegen

 22.04.2024

Berlin

Große KZ-Gedenkstätten gegen Schüler-Pflichtbesuche

Die Unionsfraktion hatte sich dafür ausgesprochen

 22.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Nur eine Handvoll Mitglieder zählen die Gemeinden in Kairo und Alexandria heute. Jedoch haben die wenigsten Juden ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden gewaltvoll vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024