Naher Osten

Obamas Schwäche

Uneins über Militärschlag: Barack Obama und Benjamin Netanjahu Foto: Flash 90

Er kommt nicht gut weg in den Augen der israelischen Öffentlichkeit: Die Entscheidung des US-Präsidenten Barack Obama, den Kongress über einen Angriff auf Syrien mitbestimmen zu lassen, ist ein Zeichen extremer Schwäche und Unentschlossenheit. So wenigstens sehen es mehrheitlich die Kommentatoren in den israelischen Medien vom Montag. Wenn Obama schon in diesem Fall nicht in der Lage wäre, sich durchzusetzen, »was wird sein, wenn der Iran eine Atombombe haben wird?«, fragt die Zeitung Maariv.

rote linie Sein Zögern sei umso unverständlicher, weil es stets Obama war, der einen Einsatz chemischer Waffen durch das syrische Regime zur »roten Linie« erklärt hatte. Wer nicht bereit sei, im Falle eines Falles dann auch konsequent zu handeln, solle besser seinen Mund halten.

Die Zeitungen Yedioth Ahronoth und Israel Hayom kommentierten ähnlich. Die Enttäuschung über den Verbündeten USA ist deutlich spürbar. »Das Misstrauen, das bei den israelischen Politikern nun entstanden ist, kann durch kein Versprechen mehr zerstreut werden«, schreibt Yedioth Ahronoth. Allem Anschein nach habe sich in Amerika die Haltung durchgesetzt: Wenn man mit Atombomben in Nordkorea und Pakistan leben könne, dann sei dies auch mit einer im Iran möglich. Dies sei jedoch ein völlig falsches Zeichen, denn die Machthaber in Damaskus und Teheran witterten Schwäche wie Bluthunde und nutzen diese.

Schon jetzt habe der syrische Präsident Baschar al-Assad wertvolle Zeit gewonnen, um die Depots für chemische Waffen zu räumen und zu verlagern. Auch alle anderen strategischen Angriffsziele seien inzwischen wahrscheinlich irrelevant. Für Israel bedeuteten die Ereignisse der vergangenen Wochen eine harte Lektion: Kommt es zur Entscheidung in Sachen Iran, müsse es allein agieren.

minister Seitens der Politik reagierte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zurückhaltend. Er kommentierte die Entscheidung Obamas nicht und wies auch sein Kabinett an, dies im Hinblick auf die kommenden Beratungen im amerikanischen Kongress zu unterlassen. Netanjahus Warnung galt Äußerungen wie denen von Wohnungsbauminister Uri Ariel oder Wirtschaftsminister Naftali Bennett. Beide hatten auf ihren Facebook-Seiten verächtliche Kommentare zu den USA gepostet. »Das nützt niemandem – schon gar nicht der Sicherheit der israelischen Bürger«, zitiert die Jerusalem Post Netanjahu. Indes war das offizielle Statement des Regierungschefs allgemeiner Natur: »Israel ist ruhig, selbstbewusst und für alle Eventualitäten gerüstet.«

Trotz dieser Zurückhaltung ist klar, dass Obamas Handlungsweise der israelischen Führung keineswegs behagt. So hatte man Syrien als eine Art Testfall im Hinblick auf den Iran betrachtet. Daran ist Obama nun gescheitert. Experten erwarten deshalb nach einer Phase des Zusammenrückens von Netanjahu und Obama wieder eine Abkühlung der Beziehung. Und die jüngsten Ereignisse geben der Sorge Israels neue Nahrung, wonach der Einfluss der USA im Nahen Osten als Weltpolizei schwindet.

Diese Rolle wollen allerdings weder die kriegsmüden Amerikaner – die große Mehrheit ist gegen einen Angriff der USA – noch der US-Präsident selbst mehr einnehmen. So hatte Obama bereits 2009 bei seinem ersten Amtsantritt in einer Rede vor der UN betont, Amerika könne nicht die Probleme dieser Welt im Alleingang lösen. Im Licht all dieser Aspekte werde sich in Israel die Erkenntnis durchsetzen, es sei besser, sich auf niemanden zu verlassen und notfalls im Alleingang zu handeln, prognostiziert ein Experte des Instituts für Nahost-Politik in Washington. Genau das aber will Obama eigentlich verhindern.

gasmasken Die Israelis atmen jedoch erst einmal auf. Nach den aufreibenden vergangenen Tagen können sie sich nun auf Rosch Haschana konzentrieren und alles fürs Familienfest vorbereiten. Abgesehen vom Ärger bei der Ausgabe der Gasmasken ging vielen vor allem die Berichterstattung im Fernsehen auf die Nerven. »Es ist nicht mehr auszuhalten«, stöhnte etwa eine 86-jährige Frau aus Tel Aviv, die ehemals im Palmach gekämpft hatte. Den ganzen Tag über müsse man sich die Einschätzungen ehemaliger Militärs anhören. »Das meiste davon sind leere Floskeln«, so ihre Einschätzung. Und es sei wenig hilfreich, einerseits zu behaupten, es bestehe kein Anlass zur Panik, und die Bevölkerung andererseits tagelang in Aufregung zu versetzen.

In Deutschland sprach sich Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, für einen westlichen Militärschlag aus. »Der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen darf nicht ohne Konsequenzen bleiben«, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger.

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