Einspruch

Null Punkte für Ewiggestrige

Hannes Stein ärgert sich über antisemitische Internet-Reaktionen nach Lenas Eurovision-Sieg

von Hannes Stein  01.06.2010 13:38 Uhr

Europas Nummer Eins: Lena Meyer-Landrut Foto: Daniel Kruczynski

Hannes Stein ärgert sich über antisemitische Internet-Reaktionen nach Lenas Eurovision-Sieg

von Hannes Stein  01.06.2010 13:38 Uhr

Das Internet ist so etwas wie das kollektive Unbewusste der Menschheit. All das, was im hellen Tagwerk des Bewussten keinen Platz hat – oder nicht vorkommen darf – tummelt sich ungeniert im weltweiten Netz. Antisemitismus etwa. Nachdem die Abiturientin namens Lena am Sonntag für Deutschland den Sieg im Eurovision-Wettbewerb ersungen, von Israel aber keinen Punkt bekommen hatte, kochte die nationale Volksseele in verschiedenen Internetforen, bei Facebook und auf Twitter über: »Und wir bauen den Juden ein Denkmal in Berlin«, hieß es da. »Die Juden sind sehr nachtragend.« – »Scheißjuden.« – »Besser geht’s nicht, ihr naziverfickten Kindermörder. Falsches Politikland! Null Punkte, aber Milliarden von uns Kindern kassieren.« Eine Heidi kommentiert, es sei »eher gut, keine Punkte aus dem rassistischen Säuberungsland Israel bekommen zu haben ... Warum stimmen die Juden ab, warum sind sie überhaupt dabei? Israel ist nicht Europa ... Juden-Extrawurst.« Reicht es Ihnen? Halten Sie sich schon die Nase zu?

Punkte Es ist alles dabei: Der Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz; der ranzige Hass auf den Staat Israel; das ganz offen brutale Ressentiment. Beinahe schon witzig wird die Sache dadurch, dass Deutschland – wie vermerkt – keineswegs verloren, sondern vielmehr den ersten Platz belegt hat: Die guten Leute können sozusagen nicht verwinden, dass sie gewonnen haben. Natürlich interessiert in diesem Zusammenhang keinen Menschen, dass nicht nur Israel, sondern auch Spanien, Norwegen und Zypern sich erfrecht haben, null Punkte an Deutschland zu vergeben; und dass Deutschland seinerseits auch Israel mit null Punkten bedacht hat.

Wer diese Blogeinträge liest, möchte den in Deutschland lebenden Juden den dringenden Rat geben, sofort das Weite zu suchen. Aber das wäre voreilig: Internetforen, Facebook und Twitter sind nicht die ganze Wahrheit. Sie offenbaren nur das kollektive Unbewusste, das sich halb verschämt, halb unverschämt tief drunten im schwarzen Keller tummelt.

Europäische Union

»Europa muss sein eigenes Judentum wieder wertschätzen«

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt finanzielle Unterstützung für Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an

 09.06.2023

Judenhass

Einstufung Samidouns als Terrorgruppe gefordert

Antisemitische Demonstrationen und Plakate: Für den israelischen Botschafter Ron Prosor ist das Maß voll

 09.06.2023

Twitter

Arbeitsauftrag an die Neue - aber nicht von Musk

Antisemitismusbeauftragte fordern von der neuen Chefin Linda Yaccarino ein energischeres Handeln gegen Hass

von Michael Thaidigsmann  09.06.2023

Berlin-Neukölln

Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung

Judenfeindliche und den Terror verherrlichende Plakate rufen die Behörden auf den Plan

 08.06.2023

Schleswig-Holstein

Karin Prien wehrt sich gegen Rassismusvorwurf

Die Ministerin steht wegen einer Äußerung über ihre Kabinettskollegin Aminata Touré in der Kritik

 08.06.2023 Aktualisiert

Populismus

Aus Protest?

Viele Erklärungen für das Umfragehoch der AfD greifen zu kurz. Wer die Partei wählt, weiß meist genau, was er tut

von Marcel Lewandowsky  08.06.2023

Interview

»Riesenschritt nach vorn«

Makkabi-Kapitän Doron Bruck über den Einzug des Berliner Oberligisten in den DFB-Pokal

von Michael Thaidigsmann  08.06.2023

Einspruch

Die Mutter aller Dialoge

Dmitrij Belkin freut sich auf die christlich-jüdischen Gespräche beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg

von Dmitrij Belkin  08.06.2023

Sicherheit

Anastasia-Bewegung in Brandenburg rechtsextremer Verdachtsfall

Innenministerium: In Teilen völkische, rassistische und antisemitische Ideologie

 07.06.2023