Interview

»Nicht gutgläubig erworben«

Rüdiger Mahlo, Deutschlandrepräsentant der Claims Conference Foto: Claims Conference

Herr Mahlo, mehr als zehn Tage nach Bekanntwerden des Münchner Kunstfundes ist die Informationslage immer noch verworren. Über 200 der gefundenen Werke sollen Raubkunst aus vormaligem jüdischen Besitz sein, heißt es. Aber welche genau, ist unklar. Oder wissen Sie mehr?
Nein, wir wissen ebenfalls wenig. Nach den Informationen unserer Historiker scheinen aber tatsächlich Bilder aus jüdischem Besitz unter den gefundenen Werken zu sein. Wir haben einen Fall, bei dem ein Bild über die »Lost Art«-Datenbank erkannt wurde. Ein weiterer prominenter Fall ist der von Anne Sinclair, die ein Bild aus dem Besitz ihres Großvaters, des berühmten Pariser Galeristen Paul Rosenberg, wiedererkannt hat – ich vermute, über unsere Datenbank www.errproject.org/jeudepaume.

Über das Gros der Bilder herrscht weiter Ungewissheit.
Ja, die Informationslage ist leider dünn. Die Bundesregierung hat jetzt zwar angekündigt, alle Bilder ins Internet zu stellen. Zu sehen sind dort aber bisher nur 25 der Werke. Es ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Angekündigt wurde auch die Bildung einer Taskforce.
Das begrüßen wir selbstverständlich. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese sechsköpfige Taskforce ohne entsprechenden Unterbau die Provenienz der Bilder nicht zügig feststellen wird. Die Veröffentlichung des Gesamtbestandes ist der Schlüssel. So können die Geschädigten aktiv an der Provenienzrecherche beteiligt werden. Überhaupt ist die Einbeziehung der Opferseite unerlässlich. Die Claims Conference ist gerne bereit, ihre jahrzehntelange Expertise hier einzubringen.

Damit letztendlich die Bilder zurückgegeben werden können?
Das ist der springende Punkt. Es geht schließlich darum, Unrecht der Nazis wiedergutzumachen. Die Werke müssen ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückerstattet werden. Und das darf nicht ewig dauern.

Nun heißt es allerdings, eine Rückgabe sei unwahrscheinlich, weil beim Münchner Fund die Verjährungsfrist von 30 Jahren greife und die Bilder inzwischen rechtmäßiges Eigentum von Cornelius Gurlitt seien. Teilen Sie diese Rechtsauffassung?
Nein, rechtmäßiges Eigentum kann man ausschließen, soweit es sich um Kunstraub handelt. Sie sprechen das an, was Juristen eine »Ersitzung« nennen. Dafür muss man jedoch gutgläubig sein. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand Gurlitt hat beim Erwerb der Bilder bösgläubig gehandelt. Deshalb kann er an ihnen kein Eigentum erworben haben. Außerdem setzt eine Verjährung nach der alten Gesetzeslage Kenntnis voraus, die fehlte, weil die Bilder als verbrannt galten. Die Rechtslage bleibt dennoch kompliziert. Wir werden deshalb überlegen, ein juristisches Gutachten erarbeiten zu lassen, um sicherzustellen, dass die Kunstwerke auf dem Rechtsweg ihren ursprünglichen Eigentümern, beziehungsweise deren Erben, zurückerstattet werden.

Mit dem Deutschlandrepräsentanten der Claims Conference sprach Michael Wuliger.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  17.11.2025

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

USA

Kehrtwende? Trump empfiehlt Abstimmung über Epstein-Akten

Der Fall des Sexualstraftäters lässt den US-Präsidenten nicht los. Vor einer Abstimmung im Repräsentantenhaus gibt er einen überraschenden Rat an seine Partei

von Anna Ringle  17.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025