Rechtsextremismus

Motiv: Völkisch-nationalistische Gesinnung

Das Oberlandesgericht Frankfurt eröffnet den Prozess wegen des Mordes an Walter Lübcke

von Julian Feldmann  11.06.2020 10:42 Uhr

Walter Lübcke (1953–2019) Foto: dpa

Das Oberlandesgericht Frankfurt eröffnet den Prozess wegen des Mordes an Walter Lübcke

von Julian Feldmann  11.06.2020 10:42 Uhr

Es war eine Exekution. Aus nächster Nähe wurde Walter Lübcke am späten Abend des 1. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses erschossen. Für den Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten muss sich ab nächster Woche der Neonazi Stephan E. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verantworten. Laut Anklageschrift soll sich E. im Schutze der Dunkelheit an den CDU-Politiker herangeschlichen und ihn mit einem Kopfschuss ermordet haben.

Das Motiv für die Mordtat liegt laut Bundesanwaltschaft in der völkisch-nationalistischen Gesinnung von Stephan E., der schon früher in Südhessen als Gewalttäter auffiel. Er verbüßte in den 90er-Jahren eine mehrjährige Haftstrafe.

NEONAZI-SZENE Nach der Entlassung aus dem Gefängnis zog E. nach Kassel und schloss sich der militanten nordhessischen Neonazi-Szene an. Dort kam er nicht nur in Kontakt mit einigen Szenegrößen und war Mitglied der NPD, sondern auch mit einem Mann, der eher unauffällig schien: Markus H., der seit seiner Jugend über Kontakte in die Szene verfügte. H. besuchte mit E. gemeinsam Demonstrationen, beide sollen zur Kameradschaft »Freier Widerstand Kassel« gehört haben.

H. muss sich im Prozess wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Er soll den Mordanschlag nicht nur durch gemeinsame Schießübungen im Wald und in Schützenvereinen gefördert, sondern E. auch im Willen zur Begehung eines solchen Anschlags bestärkt haben. H. galt in der Kasseler Neonazi-Szene als »Waffennarr«.

Im Jahr 2015 entschied das Verwaltungsgericht Kassel, dass er legal Waffen besitzen darf. Obwohl er den Behörden schon lange als Rechtsextremist bekannt war, musste die Waffenbehörde ihm eine Erlaubnis zum Waffenbesitz ausstellen. Der Grund: Der Verfassungsschutz lieferte keine aktuellen Erkenntnisse zu H.s rechtsextremen Umtrieben. So konnte sich der mutmaßliche Mordhelfer ganz legal Waffen kaufen.

Bei der Durchsuchung der Wohnung fanden die Ermittler Nazi-Devotionalien und rechtsextreme Literatur.

Bei der Durchsuchung der Wohnung von H. fanden die Ermittler Nazi-Devotionalien und rechtsextreme Literatur. Im August 2018 liefen E. und H. gemeinsam bei einem »Trauermarsch« der AfD in Chemnitz mit. Auch zuvor sollen sie schon AfD-Kundgebungen in Erfurt besucht haben. E. hatte die Partei auch persönlich im Wahlkampf unterstützt.

GESTÄNDNIS In einem ersten Geständnis nach seiner Festnahme im Juni vergangenen Jahres hatte E. den Mord eingeräumt. Inzwischen widerrief er sein umfassendes Geständnis und belastet in einer neuen Aussage seinen Mitangeklagten H., den tödlichen Schuss auf Lübcke abgegeben zu haben.

Die Bundesanwaltschaft glaubt E. diese neue Version des Tatablaufs nicht. Dafür, dass H. am Tatort war, gibt es keine Beweise. Ob die beiden Angeklagten sich im Prozess äußern wollen, ist noch unklar. H. hatte bisher weitgehend geschwiegen.

An dem Prozess wird sich die Familie Lübcke als Nebenkläger beteiligen. »Als Familie sind wir geeint im festen Glauben daran, dass Hass und Gewalt keinen Platz in unserer Gesellschaft haben dürfen«, erklärten die Angehörigen vor Prozessbeginn.

Mit der Nebenklage wollen die Angehörigen ein politisches Zeichen setzen.

Zu Lebzeiten habe es sich Walter Lübcke »zu seiner Aufgabe gemacht, den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen«, so die Familie. »Mit Rückgrat und engagierter Leidenschaft hat er sich für eine demokratische Gesellschaft eingesetzt.« Mit der Nebenklage wollen die Angehörigen ein politisches Zeichen setzen.

UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS Zeitgleich zum Prozess soll im Hessischen Landtag auch ein Untersuchungsausschuss den Mordfall beleuchten. Die Abgeordneten wollen vor allem herausfinden, ob die Sicherheitsbehörden vor dem Mord etwas versäumt hatten.

Weder Markus H. noch Stephan E. waren vor der Tat als rechtsextreme »Gefährder« geführt worden. Auch die Arbeit des Verfassungsschutzes, die seit dem Auffliegen des NSU oftmals im Fokus der Kritik steht, soll unter die Lupe genommen werden.

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