Rechtsrock

Mordsmucke

Besucher auf dem Weg zum Rechtsrock-Festival »Tage der nationalen Bewegung« in Themar 2017 Foto: imago

Mit 3000 Neonazis war gerechnet worden, es kam kein einziger: Das bundesweit in der Szene beworbene Rechtsrockkonzert im thüringischen Dorf Mattstedt Ende August fiel aus, denn den Behörden war es gelungen, die Veranstaltung zu verbieten. Die Kommune hatte mit Unterstützung des Landes Thüringen ein Nutzungsverbot ausgesprochen, und ein Gericht hatte das Verbot der Nutzung einer Industriebrache als Veranstaltungsort bestätigt.

Eine Ausnahme. Nur selten gelingt es der Polizei oder den Städten, Neonazi-Konzerte zu verbieten. Sie finden in der Regel auf Privatgelände oder sogar in geschlossenen Räumen statt. Für viele wird zudem oft nur verdeckt geworben. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken zu Neonazi-Konzerten im zweiten Quartal 2018 listete die Bundesregierung nur neun Veranstaltungen auf. Weitere 15 waren ihr bekannt, aber sie sah V-Leute gefährdet, wenn bekannt würde, dass der Staat von den Konzerten weiß.

geld Für die Neonazi-Szene werden die Konzerte immer wichtiger. Sie sind sogar dabei, Aufmärsche als bedeutendste Aktionsform abzulösen, sagt der Rechtsextremismusexperte Felix M. Steiner. »Die Zahl der Konzerte hat in den vergangenen Jahren zugenommen, sie sind mittlerweile die zentrale Aktionsplattform der Szene.« Ihre Bedeutung sei groß. Auf den Konzerten würden junge Menschen politisiert, sie stärkten das Gemeinschaftsgefühl – und sie seien auch wirtschaftlich wichtig. »Durch die Auftritte kommt Geld zusammen, das in die Szene geleitet wird. Aber auch für Prozesse wird gesammelt. Für die NSU-Terroristen gab es sogar regelrechte Solidaritätskonzerte«, sagt Steiner, der die Szene als Journalist beobachtet.

Mit 6000 Besuchern fand im thüringischen Ort Themar im vergangenen Jahr ein Neonazi-Konzert statt, das weitaus mehr Zulauf hatte als die meisten Demonstrationen der Rechtsradikalen in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2017 fanden insgesamt 289 Neonazi-Konzertveranstaltungen mit 29.700 Besuchern statt – Zahlen, die die Dimension des Problems aufzeigen. Die meisten der Konzerte finden in Ostdeutschland statt, Sachsen und Thüringen sind die Hochburgen der Neonazi-Musiker. Szenegrößen wie Hooligan-Band »Kategorie C«, die »Lunikoff Verschwörung« des Ex-»Landser«-Sängers Michael Regener, »Kraftschlag«, »Sleipnir« und der Barde Frank Rennicke finden hier ein Publikum.

Entscheidend für die Orte, an denen die Konzerte stattfinden, sei nicht die Größe der Szenen vor Ort, sondern ihr Organisationsgrad, sagt Steiner. Und wenn es um die Frage geht, wie Konzerte zu verhindern sind, sei in erster Linie nicht die Zivilgesellschaft gefragt. »Proteste gegen Veranstaltungen im privaten Raum bringen nicht viel. Hier ist der Staat gefordert.«

Die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) ist froh, dass die Landesregierungen Rechtsrock-Konzerte als Problem erkannt haben und, wie in Mattstedt, dagegen vorgehen. »Man sollte sich immer bewusst machen, dass die dort gespielte Musik nichts anderes als die Begleitmusik zu Mord und Totschlag ist. Gerade die großen Rechtsrock-Konzerte, bei denen mehrere Tausend Neonazis auflaufen, stellen zusätzlich eine Machtdemonstration der Neonazis dar«, sagt König-Preuss.

Viele Möglichkeiten hätten Politik und Verwaltung allerdings juristisch nicht. Die Konzerte fänden oft in eigenen Immobilien der Neonazis, auf deren Grundstücken oder im Rahmen des Versammlungsrechtes, angemeldet als »politische Versammlung«, statt.

»Das, was möglich ist, wird zumeist versucht: in Form von restriktiven und beschränkenden Auflagen, durch erhöhte Kontrollen bei An- und Abreise oder durch den Abbruch eines Konzertes aufgrund des Spielens eines indizierten Liedes«, sagt König-Preuss. Die Politikerin fordert auf Bundesebene eine gemeinsame Positionierung gegen derartige Zusammenrottungen von Neonazis, um davon ausgehend die Großveranstaltungen der Szene auch mit entsprechenden Polizeikräften absichern zu können, sodass ein Abbruch auch personell möglich wäre.

Aber sie fordert zudem juristische Unterstützung. »Die entscheidende Frage ist die des Geldes: Sind Versammlungen, für die Eintrittskarten verkauft werden und die letztlich einen eindeutig kommerziellen Charakter haben, vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt?« Hier brauche es eine Bewertung durch den Bund.

bund Die Bundesregierung hat zwar das Problem erkannt und sieht, dass Musik seit Jahren, zum Beispiel durch die Verteilung von Schulhof-CDs durch die NPD, als Mittel genutzt wird, um Jugendliche anzuwerben. Aber sonst konzentriert man sich darauf, die Szene zu beobachten und die eigenen V-Leute zu schützen.

In den vergangenen Jahren hatten die Rechtsrock-Konzerte auch deutlich mehr Zulauf als die oft von Protesten begleiteten Neonazi-Demonstrationen, weil strenge Auflagen der Polizei dafür sorgten, dass die Märsche zu öden Latschveranstaltungen mit demütigenden Eingangskontrollen wurden. Nach den Ausschreitungen von Chemnitz Ende August könnte sich das wieder ändern: Wenn Neonazis wieder ohne sonderliche Einschränkungen seitens der Polizei randalieren können, ist das am Ende für die Szene attraktiver als Konzerte von Musikern mit schlecht gestimmten Instrumenten.

Ostdeutschland

Zentralrat warnt vor AfD-Regierung: »Echte Gefahr für jüdisches Leben«

Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden sieht in den hohen Umfragewerten der AfD zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen »Weckruf«

von Joshua Schultheis  05.11.2025

Berlin

Dobrindt verbietet islamistische Vereinigung Muslim Interaktiv

Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen

von Martina Herzog  05.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  05.11.2025

USA

Sozialist Mamdani wird neuer Bürgermeister von New York

Die Demokraten-Hochburg New York bekommt einen neuen Bürgermeister

 05.11.2025

Judenhass

Berlin-Kreuzberg: Antisemitische Parolen in Schule - Lehrerin angespuckt

Die Hintergründe

 04.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  04.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025