Schweiz

Mörder einfach laufen gelassen

Darf sich ein Land von drohenden Anschlägen freikaufen und mit Terroristen darüber verhandeln? Die Frage beschäftigt seit einer Woche die politische Schweiz. Marcel Gyr, Reporter der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), hat in seinem Buch Schweizer Terrorjahre. Das geheime Abkommen mit der PLO mit neuen Dokumenten aufgedeckt, was bislang nur vereinzelt zu lesen gewesen war: Die Schweizer Regierung hat in den frühen 70er-Jahren ein geheimes Abkommen mit der PLO abgeschlossen, um das Land aus dem Fadenkreuz der Terrororganisation zu nehmen.

anschläge Die PLO hatte vor mehr als 45 Jahren mehrere schwere Attentate verübt, die sich gegen die Schweiz richteten: 1969 beschossen vier Terroristen in Zürich-Kloten eine EL-AL-Maschine auf dem Rollfeld; der Pilot kam dabei ums Leben.

Und 1970, bei der Explosion einer Swissair-Maschine kurz nach dem Start, starben 47 Menschen in der Nähe von Würenlingen (Aargau). Der Bezirksanwalt Robert Akeret, der bereits den ersten Anschlag von 1969 bearbeitet hatte, ermittelte auch hier. Er fand heraus, dass der Palästinenser Sufian Kaddoumi wahrscheinlich der Täter war. Akeret, der heute in einer Zürcher Alterssiedlung lebt, ist überzeugt, dass Kaddoumi es war, der das Paket kurz vorher in München aufgegeben hatte.

Kaddoumi bestritt allerdings jede Schuld, als er 25 Jahre später von einem anderen Schweizer Journalisten in Jordanien interviewt wurde. Kurze Zeit später verstarb er unter ungeklärten Umständen.

Im Jahr 1970 wurde eine weitere Swissair-Maschine in die jordanische Wüste entführt; dies verlief aber glimpflich.

Danach wird die Schweiz nie mehr zur Zielscheibe des arabisch-palästinensischen Terrorismus. Umgekehrt kommt es im »Fall Würenlingen« nie zu einer Anklage oder gar zu einem Prozess – obwohl es 47 Tote gab.

Attentäter
Marcel Gyr zeigt nun den Zusammenhang auf: Der damalige Außenminister Pierre Graber, ein Westschweizer Sozialdemokrat, verhandelte offenbar intensiv mit verschiedenen PLO-Exponenten, darunter dem Außenbeauftragten Farouk Kaddoumi, einem Bruder des mutmaßlichen Attentäters von Würenlingen.

Diese Gespräche geschahen unter Vermittlung des Genfer Soziologen und früheren SP-Parlamentariers Jean Ziegler. Der räumt die Vermittlung der Geheimgespräche zwar ein, versucht aber, seine damalige Rolle kleinzureden.

Die israelische Botschaft in Bern kommentierte Gyrs Enthüllungen: Nachgeben fördere den Terrorismus nur; Israel wisse das wie kaum ein anderes Land. Und der Schweizer Außenminister Didier Burkhalter distanziert sich deutlich von seinem Vorgänger Graber: Verhandlungen, zum Beispiel mit dem IS, seien heute »völlig undenkbar«.

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025

Iran

Mullahs lassen angeblichen Mossad-Informanten hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren drastisch zugelegt

 30.04.2025

Buenos Aires

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich

 30.04.2025

Hanau

Antisemitisches Plakat an Schule: Staatsschutz ermittelt

In einem angrenzenden Park gab es eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde. Besteht ein Zusammenhang?

 30.04.2025

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025