Analyse

Misstrauische Partner

Moskau im Juni: Russlands Präsident Wladimir Putin empfängt den iranischen Außenminister Abbas Araghtschi. Foto: picture alliance/dpa/TASS

Im israelisch-iranischen »Zwölftagekrieg«, der im Juni in eine Waffenruhe mündete, stellten sich die staatlich kontrollierten russischen Medien demonstrativ auf die Seite der Islamischen Republik. Der Kreml nutzte seine Propaganda-Infrastruktur, um die von Desinformation geprägte iranische Sichtweise wel­tweit zu verbreiten. Trotz dieser Entwicklung bleibt das russisch-iranische Verhältnis widersprüchlich.

Moskau betont die »strategische Partnerschaft« mit Teheran und verurteilte – wenn auch zurückhaltend – die israelisch-amerikanische Militäraktion gegen das iranische Atomprogramm. Eine militärische Unterstützung für den Iran wurde aber nicht ernsthaft diskutiert. Sensationsberichte über Fluchtvorbereitungen iranischer Spitzenfunktionäre, die sich angeblich nach Russland absetzen wollten, erwiesen sich als Falschmeldungen. Auch die Vermutung, die Ajatollahs könnten ihre Vorräte an hochangereichertem Uran ihren Moskauer Freunden anvertrauen, erscheint wenig glaubwürdig.

Der Krieg brachte Russland kaum Vorteile

Der Krieg brachte Russland kaum Vorteile. Ein nachhaltiger Anstieg des Ölpreises, wichtig für die russische Kriegswirtschaft, blieb aus. Auch als Vermittler durfte Wladimir Putin trotz seiner aufwendigen Bemühungen nicht auftreten. Zwar verdrängte der Zwölftagekrieg kurzfristig Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den Schlagzeilen – doch auch dort gab es bislang keinen Durchbruch der russischen Sommeroffensive.

Konzentrierte sich der Kreml zu sehr auf die Ukraine, um dem Iran besser beizustehen? Oder ließ er seinen »strategischen Partner« ganz bewusst im Stich? Die in der russischen Exil-Zeitschrift »The Insider« veröffentlichte Recherche der Investigativjournalisten Roman Dobrokho­tov und Christo Grozev deutet eher auf Letzteres hin.

Sie werteten geleakte Geheimdokumente der Ersten Abteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB (Spionageabwehr) aus den Jahren 2023 und 2024 aus. Diese belegen, dass es um das russisch-iranische Verhältnis keineswegs so gut bestellt ist, wie im Westen häufig angenommen wird. Die Islamische Republik erscheint darin nicht als verlässlicher Freund, sondern als schwieriger, misstrauisch beäugter Partner.

Teheran als Mitstreiter Moskaus

Zwar gilt Teheran als Mitstreiter Moskaus im gemeinsamen Kampf gegen den Westen, doch bereiten iranische Spionageaktivitäten in Russland dem FSB erhebliche Sorgen. Der Iran versuche, russische Wissenschaftler, Geschäftsleute und Beamte für sich zu gewinnen, interessiere sich für moderne Atom- und Waffentechnologien aus Russland und wolle seinen Einfluss unter den rund 15 Millionen russischen Muslimen ausbauen. Auch Russland betreibt im Iran verdeckte Operationen – unter anderem mit dem Ziel, dessen Annäherung an den Westen zu verhindern.

Russland hat kein Interesse an einer Atommacht Iran.

Laut Dobrokhotov und Grozev ist der Kreml nicht an einem iranischen Atomwaffenprogramm interessiert, sondern will es verhindern. Diese Haltung bildet wohl die Grundlage für eine Zusammenarbeit mit Israel, die trotz aller Spannungen weiter besteht. Quellen aus dem russischen Militärgeheimdienst GRU behaupten sogar, dass Moskau in der Auseinandersetzung zwischen Iran und Israel eher auf der Seite Jerusalems stehe.

Die an »The Insider« geleakten FSB-Dokumente sind wahrscheinlich authentisch. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie Teil einer gezielten geheimdienstlichen »operativen Maßnahme« sind, mit der Moskau seinen angeschlagenen Ruf in Israel und in den USA aufpolieren will.

Enttäuscht von Israels Haltung

Offenbar hat Russland strategisches Interesse an einem geschwächten, von Moskau abhängigen Iran – nicht jedoch an einer selbstbewussten Atommacht. Die Beziehungen zu Israel waren lange intakt. Doch mit dem Ukraine-Krieg änderte sich das. Israel stellte sich auf die Seite Kyjiws und wies russische Narrative über »ukrainische Nazis« zurück. Enttäuscht von Israels Haltung intensivierte der Kreml seine Kontakte zur Hamas und nutzte den Gaza-Krieg propagandistisch: zur Darstellung seiner angeblich humanen Kriegsführung in der Ukraine, zur Mobilisierung von Sympathien im Globalen Süden und zur Spaltung westlicher Gesellschaften.

Der frühere israelische Botschafter in Moskau, der Sicherheitsexperte Zvi Magen, geht sogar davon aus, dass Russland im Vorhinein von dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 Kenntnis hatte.

Wie geht es für Russland und den Iran nach dem Krieg weiter? Die Islamische Republik war für Russland bereits vor dem Krieg ein schwieriger Partner – und daran dürfte sich auch in Zukunft wenig ändern. Vielmehr ist zu erwarten, dass sich Teheran, enttäuscht von der russischen Zurückhaltung, wirtschaftlich und militärisch noch stärker an China annähert.

In der Region neu justieren

Auch Russland muss seine Politik in der Region neu justieren: Laut einem Bericht von »Axios« stellt sich Präsident Putin nun gegen die Urananreicherung im Iran und unterstützt damit eine zentrale Forderung der USA. Zudem entließ er überraschend seinen langjährigen Nahost-Beauftragten Michail Bogdanow, der als stellvertretender Außenminister die russische Nahost-Politik über mehr als ein Jahrzehnt maßgeblich geprägt hatte – und nun offenbar die Verantwortung für die Misserfolge der vergangenen Jahre übernimmt. In Israel, wo Bogdanow wegen seiner eher propalästinensischen Haltung als umstritten galt, wurde die Entlassung wohlwollend registriert.

Der Kreml sondiert bereits neue Optionen – etwa in Afghanistan, wo Russland nun die Taliban-Regierung offiziell anerkannt hat. Während sich Putin zu den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten bislang kaum äußert, machen einige russische Kommentatoren kein Hehl aus Moskaus Interesse an einer weiteren Eskalation – ganz nach dem zynischen Motto: neuer Krieg, neues Chaos, neue Chancen.

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