Bundestag

Merkel verurteilt Angriff auf koscheres Restaurant

»Keine Entschuldigung für menschenverachtende Demonstrationen«: Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede am Mittwoch im Bundestag Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Versuche der Legitimierung rechtsextremer Ausschreitungen bei Demonstrationen der vergangenen Wochen verurteilt.

»Es gibt keine Entschuldigung und Begründung für Hetze, zum Teil Anwendung von Gewalt, Nazi-Parolen, Anfeindung von Menschen, die anders aussehen, die ein jüdisches Restaurant besitzen, Angriffe auf Polizisten«, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag.

»Hetzjagd« Es dürfe bei der Achtung der Menschenwürde keine Rabatte geben, »für niemanden«, sagte Merkel. »Deshalb führen Legitimierungen in die Irre«, sagte die Kanzlerin in ihrer Rede zur Generaldebatte zum Haushalt im Parlament.

Merkel sagte auch, eine begriffliche Auseinandersetzung, ob die Ereignisse in Chemnitz »Hetze« oder eine »Hetzjagd« gewesen seien, führe nicht weiter. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und auch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatten den Begriff infrage gestellt und damit eine politische Debatte um die Deutung der Demonstrationen in Chemnitz ausgelöst, bei denen Migranten und Journalisten bedroht wurden und offen der Hitlergruß gezeigt wurde.

»Wir werden nicht zulassen, dass klammheimlich ganze Gruppen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden«, sagte Merkel. »Juden, Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten zu unserer Gesellschaft, in unsere Schulen, in unsere Parteien, in unser gesellschaftliches Leben«, betonte sie. Die Frage, ob darüber Konsens besteht, »die entscheidet über unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt«.

Verständnis Gleichzeitig äußerte sie Verständnis für Empörung nach dem gewaltsamen Tod eines jungen Mannes in Chemnitz. Verdächtig sind Asylbewerber. Straftaten müssten aufgeklärt, die Täter vor Gericht und mit der Härte des Gesetzes bestraft werden, sagte Merkel.

Sie könne jeden verstehen, der empört sei, wenn sich nach Tötungsdelikten herausstelle, dass die mutmaßlichen Täter vorbestraft oder ausreisepflichtig seien. »Hier haben wir eine Aufgabe zu lösen«, betonte die Bundeskanzlerin. Diese Empörung sei aber keine Entschuldigung für menschenverachtende Demonstrationen.

Hintergrund von Merkels Erklärung im Bundestag ist unter anderem der Angriff auf das koschere Restaurant »Schalom« in Chemnitz. Am Abend des 27. August war der jüdische Wirt Uwe Dziuballa von zehn bis zwölf mutmaßlich rechtsextremen Personen mit Steinen und Flaschen attackiert worden.

Dziuballa selbst war dabei von einem Stein an der Schulter getroffen worden. Die Ermittlungen zu der Attacke laufen. Der Vorfall hatte am Wochenende bundesweit entsetzte Reaktionen ausgelöst. Zudem war kritisiert worden, dass die antisemitische Attacke erst nach mehreren Tagen bekannt geworden war.

Köthen Zugleich bezog sich Merkel auch auf den Tod eines 22-Jährigen am Wochenende in der Kleinstadt Köthen in Sachsen-Anhalt. Die Umstände der Tat erinnern an die Vorfälle in Chemnitz, auch die Versuche Rechtsextremer, den Fall zu instrumentalisieren.

Der junge Mann starb nach einem Streit mit zwei Afghanen, laut Obduktion an akutem Herzversagen. Er litt an einer schweren Herzerkrankung. Die 18 und 22 Jahre alten Afghanen befinden sich in Untersuchungshaft. Gegen sie wird wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.

Eine Demonstration am Sonntagabend, zu der die rechtsextreme Szene mobilisiert hatte, wird zurzeit vom Staatsschutz ausgewertet, die Redebeiträge werden auf strafrechtliche Relevanz geprüft. Die Bundesregierung verurteilte die Reaktionen der Rechtsextremisten und zeigte sich betroffen.

Afd An dem sogenannten Trauermarsch vom Sonntagabend hatten sich 2500 Menschen beteiligt. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht sprach von Bürgern, AfD-Parteimitgliedern sowie 400 bis 500 Teilnehmern aus der rechten Szene aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen. Die Polizei war mit mehreren Hundert Beamten im Einsatz, auch aus anderen Bundesländern, laut Innenminister im »höheren dreistelligen Bereich«.

In sozialen Netzwerken war nach Bekanntwerden des Todesfalls umgehend zu Demonstrationen aufgerufen und Parallelen zum Fall im sächsischen Chemnitz vor zwei Wochen gezogen worden. epd/ja

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025