Preisverleihung

»Mehr als das Übliche«

FCK-Fanprojektleiter Erwin Ress (r.) und Laudator Otto Rehhagel (M) bei der Verleihung des Julius-Hirsch-Preises. Foto: dpa

In Berlin ist am Dienstagnachmittag der diesjährige Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verliehen worden. Mit der Ehrung, die nach dem von den Nazis wegen seiner jüdischen Abstammung in Auschwitz ermordeten deutschen Nationalspieler Julius Hirsch benannt ist, wurden drei Projekte ausgezeichnet. Die Jury, in der auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, Mitglied ist, vergab den ersten Preis an das Fanprojekt des 1. FC Kaiserslautern (FCK) und den rheinland-pfälzischen Traditionsklub selbst.

Das Fanprojekt hatte mit Unterstützung des Vereins mit einer Kampagne auf antisemitische Anfeindungen gegen den israelischen FCK-Spieler Itay Shechter reagiert. Der war im Februar 2012 von eigenen Fans bei einem öffentlichen Training als »Drecksjude« beleidigt worden. Daraufhin hatte das Fanprojekt innerhalb von nur 14 Tagen die Wanderausstellung »Tatort Stadion« im Fußball nach Kaiserslautern geholt und dazu ein ambitioniertes Veranstaltungsprogramm auf die Beine gestellt. Die Ausstellung stammt vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) und thematisiert Rassismus und Antisemitismus im deutschen Fußball.

Verein »Das Fanprojekt hat weit mehr getan als das Übliche«, sagte Laudator Otto Rehhagel, »es hat gehandelt.« Der frühere FCK-Meistertrainer lobte, das Fanprojekt sei »ein würdiger Preisträger«. Verein und Fans hätten mit ihrer klaren Verurteilung von Antisemitismus und Rassismus im Stadion »alles richtig gemacht« und »damit mehr als das Übliche getan«, unterstrich der 74-Jährige bei der Preisverleihung vor rund 300 Gästen im Bärensaal des Alten Stadthauses in Berlin. Der zweite und dritte Preis gingen an Projekte aus Berlin und Frankfurt, in deren Rahmen Fans von Hertha BSC und Eintracht Frankfurt die Gedenkstätte Auschwitz besuchten.

Erwin Ress, Leiter des Kaiserlauterner Fanprojektes, sagte, was ihn besonders schockiert habe, sei die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft nach dem Vorfall ein halbes Jahr ermittelt habe und sich in dieser Zeit kein einziger Zeuge, auch nicht mit einem anonymen Hinweis, gemeldet habe – obwohl etwa 150 bis 200 Personen bei den Beleidigungen zugegen gewesen seien. »Es müssen einfach mehr Menschen Zivilcourage zeigen«, folgerte Ress.

Finanzierung Wie die Jüdische Allgemeine bereits vor einigen Tagen berichtete, steht das Fanprojekt allerdings derzeit vor dem finanziellen Aus. Die Stadt Kaiserslautern, die für ein Drittel der Finanzierung zuständig ist, habe bereits vor einem halben Jahr ihre Unterstützung zurückgezogen, sagte Ress bei der Preisverleihung. Ob die Förderung in anderer Form, etwa durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten, fortgeführt werde, sei noch ungewiss.

Freuen konnten sich Ress dennoch: Der DFB präsentierte überraschend ein Dankesvideo von Itay Shechter, der aktuell in Großbritannien spielt. »Ich habe mich als Jude und Israeli in Kaiserslautern immer sehr wohlgefühlt«, sagte der Fußballprofi. Von Julius Hirsch habe er zuvor noch nicht gehört. Umso glücklicher sei er über die Auszeichnung der von den Fans ihm gegenüber gezeigten Solidarität.

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  02.09.2025

Faktencheck

Es gibt keine politischen Morde an AfD-Kandidaten

Einige AfD-Kandidaten sterben vor der NRW-Wahl. Manche im Netz meinen, das gehe nicht mit rechten Dingen zu. Die Polizei hat die Fälle untersucht - und klare Ermittlungsergebnisse

 02.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Senatorin fordert konsequentere Strafverfolgung bei Uni-Besetzungen

Freie Universität wie Humboldt-Universität und Technische Universität in Berlin waren wiederholt Schauplatz zum Teil gewalttätiger Proteste »pro-palästinensischer« Aktivisten

 02.09.2025

Rechtsterror

»Der Schmerz wird immer größer« - 25 Jahre nach dem ersten NSU-Mordanschlag

Vor 25 Jahren begann die Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe NSU. Bis heute leiden die Hinterbliebenen der Opfer an dem Verlust, aber auch an mangelnder Aufarbeitung und einem Fokus auf die Täter

von Julia Riese, Jutta Olschewski  02.09.2025

Brüssel

Auch Belgien will Palästina anerkennen

Israel sieht in diesem Schritt zu diesem Zeitpunkt eine Belohnung des Terrors. Dennoch folgt die belgische Regierung dem Beispiel Frankreichs, Kanadas und Australiens

 02.09.2025

Washington D.C.

Trump: Israel büßt im Gaza-Krieg an Ansehen ein

Der amerikanische Präsident zeigt inmitten des Krieges erneut seine Solidarität mit dem jüdischen Staat - spricht aber auch von kritischen Stimmen in den USA

 02.09.2025

Barcelona

Nach Sturm-Unterbrechung: Gaza-Flottille wieder auf See

Israelfeindliche Aktivisten wollen erneut versuchen, Israels Gaza-Blockade zu durchbrechen. Nach ersten Fehlschlägen soll es nun mit vielen kleinen Booten klappen. Zum Start gibt es aber Probleme

 02.09.2025

Meinung

Schlechte Zeiten für Frankfurts Juden

Durch die Radikalisierung der israelfeindlichen Szene ist die jüdische Gemeinschaft der Mainmetropole zunehmend verunsichert. In der Stadtgesellschaft interessiert das jedoch nur wenige

von Eugen El  01.09.2025

Kooperation

Bundesarchiv arbeitet mit Sinti und Roma bei NS-Akten zusammen

Es geht um Akten, die den Massenmord an Sinti und Roma belegen. Sogar nach dem Krieg dienten sie noch für rassistische Forschung. Nun gibt es eine Vereinbarung für ihre Nutzung

von Norbert Demuth  01.09.2025