Raubgut

M für Möbel

Die Weserpromenade Schlachte in Bremen: Hier soll das Mahnmal entstehen. Foto: imago

Die Hansestadt Bremen bekommt ein Mahnmal. Mit ihm soll daran erinnert werden, dass die Schoa auch ein Raubzug war, an dem sich viele Unternehmen, Behörden und Bürger beteiligt hatten. Und dass viele von den Erträgen, die sie auf diese Art machten, noch heute nicht lassen wollen.

Konkret geht es um die sogenannte M-Aktion. »M« steht dabei für Möbel. Aus »unbewachten jüdischen Wohnungen« in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, wo die Bewohner bereits vertrieben, geflohen oder deportiert worden waren, wurden Einrichtungsgegenstände akquiriert.

Logistikunternehmen bildeten das organisatorische Rückgrat der M-Aktion, die von der »Dienststelle Westen« des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete 1942 begonnen wurde. Sie brachten die Möbel in Sammellager; später wurden sie bevorzugt den »Bombengeschädigten« im Deutschen Reich zum Kauf angeboten.

beirat Das Bremer Mahnmal, die Installation »Leerstellen und Geschichtslücken« der Künstlerin Angie Oettingshausen, wird nun an einem Ort in der Bremer Altstadt errichtet, an dem zahlreiche Speditionsunternehmen angesiedelt sind: die Promenade Schlachte am Weserufer. Mit der Zustimmung des Bremer Beirats Mitte vom 3. April sind die letzten bürokratischen Hürden genommen.

Der nun gefundene Ort für das Mahnmals ist allerdings nicht unumstritten. Das belegt ein bedauernder Satz aus dem Zustimmungsbeschluss des Beirats, wonach »die unmittelbare Nähe vor dem Neubau von Kühne + Nagel ein noch deutlicheres Zeichen gesetzt hätte«. Der weltweit drittgrößte Logistiker der 1890 in Bremen gegründet wurde, steht dabei am stärksten in der Kritik. Das Magazin »Focus« nannte die Firma den »Packesel des Führers«. Die Zentrale von Kühne + Nagel befindet sich heute in der Schweiz, weltweit beschäftigt der Speditionskonzern rund 63.000 Mitarbeiter in etwa 100 Ländern.

Als vor einigen Jahren die Bremer Politik Um- und Neubaupläne Kühne + Nagels einfach durchwinkte, stieß das Henning Bleyl auf. Der Journalist, der damals für die Bremer Redaktion der »taz« arbeitete, begann, zu »Kuhnagel«, wie ältere Bremer die Firma noch nennen, und der NS-Geschichte des Konzerns zu recherchieren.

Aufgrund von Bleyls Recherchen räumte Kühne + Nagel im März 2015 erstmals ein, »Versorgungslieferungen für die Armee« durchgeführt zu haben und auch »mit den Transporten von beschlagnahmten Gütern politisch und rassisch Verfolgter befasst« gewesen zu sein. Die »schändlichen Vorkommnisse« von damals bedauere man, die Tätigkeit sei »zum Teil im Auftrag des Nazi-Regimes während der Zeit des Dritten Reiches« erfolgt, damit die »Existenz des Unternehmens gesichert« werde, heißt es in einer Erklärung.

ns-geschichte »Wir waren empört, wie sich K+N seiner NS-Geschichte nicht stellt und seinen Kritikern verweigert«, sagt dazu Jan Kahlcke, Redaktionsleiter der taz-Nord. Initiiert von der Bremer taz-Redaktion, wurde ein Wettbewerb für ein Mahnmal ausgeschrieben und Geld für den Ankauf eines kleinen Grundstücks direkt vor dem K+N-Stammhaus gesammelt. Das Projekt scheiterte, weil es vielen in Bremen zu weit ging, den in der Hansestadt immer noch einflussreichen Konzern mit einem Mahnmal vor dessen Haustür derart stark zu kritisieren.

Dabei hätte Kühne + Nagel die Kritik durchaus verdient, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen, Grigori Pantijelew, der Jüdischen Allgemeinen. Die Spedition habe, so schrieben Pantijelew und die Vorsitzende der Gemeinde, Elvira Noa, in einem Beitrag, der Anfang April in der »taz Bremen« erschien, mit ihrer Teilnahme an der Arisierung nicht nur einen »Flecken auf der Weste« erworben, sondern auch bei der »Übernahme der Geschäftsanteile von Adolf Maas, welcher später in Auschwitz umkam«, Schuld auf sich geladen.

Der Gemeindevorstand kritisiert, der Kompromiss bezüglich des Standorts für das Mahnmal habe »einen faden Nachgeschmack«. Die damaligen Geschäfte von Kühne + Nagel seien sehr wohl »Grundsteine des heutigen Erfolgs und Reichtums für die Firma, für Klaus-Michael Kühne persönlich und seine Stiftung«. Wenn sich der heutige Kühne + Nagel-Chef »weiter aus der Verantwortung heraushalten darf«, so Pantijelew und Noa, dann sollte er sich aber auch von der »Vorbildrolle« verabschieden.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert