Der Verband Jüdischer Studierender Hessen (VJSH) hat die Philipps-Universität in Marburg scharf kritisiert. Es geht um eine Veranstaltung mit der Politikwissenschaftlerin Helga Baumgarten, der vorgeworfen wird, den palästinensischen Terror gegen Israel und Juden zu verharmlosen.
In einer Erklärung des VJSH hieß es, »mit großer Bestürzung« sei zur Kenntnis genommen worden, dass Baumgarten bereits am Samstag Räumlichkeiten der Universität zur Verfügung gestellt worden seien. Dies war der Studentenorganisation zufolge der Fall, obwohl sie die Uni zuvor in einem Schreiben davor gewarnt hatte.
Hinzu kommt: Die Antisemitismusbeauftragte der Uni, Susanne Urban, hatte sich »mit klarer fachlicher Begründung« gegen die Veranstaltung ausgesprochen. Dennoch erhielt Baumgarten für ihre Veranstaltung Zugang zu einem Raum im Uni-eigenen Centrum für Nah- und Mittelost-Studien.
»Systematisch delegitimiert«
»Baumgarten ist seit Jahren bekannt für eine Darstellung des Nahostkonflikts, in der die antisemitische Terrororganisation Hamas verharmlost, als ›Widerstandsorganisation‹ bezeichnet und Israel systematisch delegitimiert wird«, so der VJSH. Sie habe sich wiederholt in einer Weise geäußert, die »mit wissenschaftlicher Seriosität und Analyse nicht vereinbar« sei.
»Darüber hinaus spricht Baumgarten Israel wiederholt die Legitimität seiner politischen Existenz und Verteidigungsfähigkeit ab, indem sie das Land einseitig als Aggressor darstellt und damit grundlegende völkerrechtliche Prinzipien infrage stellt«, schreiben die Studenten. Auch soll sie Yahya Sinwar, einen der Planer des Massakers vom 7. Oktober 2023, als »Ikone des Widerstands« bezeichnet haben.
Zusätzlich merkte der VJSH an, das Centrum für Nah- und Mitteloststudien sei in der Vergangenheit bereits mehrfach »durch unausgewogene Formate, strukturelle Einseitigkeit und eine auffällige Bagatellisierung gegenüber israelbezogenem Antisemitismus« aufgefallen. Eine Neuausrichtung sei dringend erforderlich.
»Institutioneller Vertrauensbruch«
Dass sich die Universität Marburg trotzdem gegen einen Entzug der Räumlichkeiten entschieden habe, stelle einen »institutionellen Vertrauensbruch« dar. Auch sende der Vorfall »ein fatales Signal an jüdische Hochschulangehörige, Studierende und die gesamte akademische Öffentlichkeit«.
»Wir fordern die Philipps-Universität Marburg auf, sich zu der Veranstaltung zu erklären und sicherzustellen, dass künftig keine Bühne für die Relativierung antisemitischer Gewalt geboten wird«, hieß es in der Erklärung der jüdischen Studenten.
Am Mittwochfrüh reagierte die Universität Marburg auf eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen vom Vortag. Die Hochschule sei ein Ort des wissenschaftlichen Diskurses, hieß es. »Hier werden unterschiedliche Sichtweisen ausgetauscht, abgewogen und kontrovers diskutiert. Dabei ist klar, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit keine wissenschaftliche Position ist.«
»Sehr konsequent«
»Sowohl mit Blick auf den Nahostkonflikt generell als auch speziell nach der Welle terroristischer Gewalt und Brutalität durch die Hamas, mit der sich der Staat Israel am 7. Oktober 2023 konfrontiert sah, ist sich die Universität ihrer Verantwortung für ihre Hochschulmitglieder bewusst«, so die Uni. »Um dem auch in Deutschland zunehmenden Judenhass zu begegnen und ihm in der Universität keine Deutungshoheit zu ermöglichen, wurde und wird im Rahmen der Möglichkeiten sehr konsequent gegen antisemitische Vorfälle, die der Universität bekannt werden, vorgegangen.«
Gleichzeitig würden universitätsintern und öffentlich »verschiedene Informationsprogramme« zu Antisemitismus, seinem Erscheinen und Wirken, wissenschaftliche Diskursformate zur Situation in Nahost oder »geschützte Austauschformate« für jüdische Hochschulmitglieder angeboten.
Bei der Veranstaltung mit Helga Baumgarten habe die Universität »wie in der Vergangenheit die Entscheidung über eine mögliche Entziehung des Raumes abgewogen«. Im konkreten Fall sei die Entscheidung gefallen, den Raum dann nicht zu entziehen, wenn sich die Fachschaft um eine geeignete, auch studentische Moderation für den Vortrag bemühe. »Diese Entscheidung erging auch in Abwägung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass den Schutzbereich für Meinungsfreiheit äußerst weit auslegt«, erklärte die Universität Marburg.