LGBTIQ

Kein »Safe Space«

Regenbogen und Davidstern: In Berlin sorgt diese Kombination für Konflikte. Foto: picture alliance / dpa

Solidarität wird in der queeren Szene eigentlich großgeschrieben. Außer es geht um Jüdinnen und Juden. Dann wird Anteilnahme allzu gerne verwehrt. Insbesondere seit den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023 zeigt sich das überdeutlich. Die LGBTIQ-Community steht vor einer Zerreißprobe – in Deutschland und international.

Im Pride-Monat Juni und danach ereignete sich eine ganze Reihe von antisemitischen und israelfeindlichen Vorfällen, die Schlagzeilen produzierten. Zuletzt ein Fall Mitte Juni in Berlin-Kreuzberg. Während einer Soli-Party im Vorfeld des geplanten »Dyke*Marches«, einer lesbischen Demonstration, die in der Bar »Möbel-Olfe« stattfinden sollte, plante eine Gruppe jüdischer Queers, Präsenz zu zeigen. Doch an ihrer Regenbogen-Flagge mit Magen David nahmen einige Besucher der Bar Anstoß. Die jüdische Gruppe wurde von etwa 50 Personen beschimpft und auf heftige Weise angegangen.

Anzeige wegen Beleidigung

Ein Zeugen-Protokoll des Vorfalls liegt der Jüdischen Allgemeinen vor. Demnach fielen Beleidigungen wie »Zionistenschweine«, »Genozid-Unterstützer« und »Faschisten«, die von einer Personengruppe aus insgesamt rund 50 Teilnehmern ausgingen. Lediglich eine Mitarbeiterin des Möbel-Olfe sei eingeschritten und habe sich vor die jüdische Gruppe gestellt.

Die Veranstaltung wurde seitens der Veranstalter abgebrochen. Vor dem Lokal habe sich eine Horde Wütender versammelt, bis schließlich die Polizei eingetroffen sei. Diese bestätigte auf Anfrage, dass eine Anzeige wegen Beleidigung vorliege. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes bearbeite diese.

»Wir sind so wenige in Berlin und haben keinen sicheren Ort mehr.«

Betroffene eines antisemitischen Vorfalls

Eine Betroffene des Vorfalls, die anonym bleiben möchte, schildert der Jüdischen Allgemeinen die Vorgänge als bedrohlich, zumal sie nicht weit von dem Ort des Geschehens wohne. »Ich lebe in Kreuzberg und begegne Beteiligten des Abends nahezu täglich. Von zweien wurde ich nach dem Vorfall auf offener Straße beschimpft.«

Sie schildert eine insgesamt israelfeindliche und antisemitische Stimmung, spricht von einem »antisemitischen Mainstream« innerhalb der queeren Community. »Wir sind so wenige in Berlin und haben keinen sicheren Ort mehr.«

Frauenkampftag in München

Ein Eindruck, den auch eine Betroffene eines Vorfalls in München teilt, der sich bereits im März im Rahmen des Frauenkampftags ereignete. Dort wurden auf dem Marienplatz Personen hasserfüllt angegangen, die sich aus dem regelmäßig stattfindenden israelsolidarischen Protestmarsch »Run for Their Lives« heraus der Demonstration anschließen wollten.

Von einem Block, bestehend aus den israelfeindlichen Gruppierungen »Palästina Spricht« und »Klasse gegen Klasse«, wurden sie aggressiv konfrontiert und unter Beschimpfungen genötigt, ihre Plakate herunterzunehmen, auf denen unter anderem »Rape is not Resistance« zu lesen stand – »Vergewaltigung ist kein Widerstand«.

Die Demo-Organisatorinnen hatten im Vorfeld die Teilnahme der in München für ihre antisemitische Agitation bekannten Gruppen gebilligt. Anders entschieden sich in der Folge der Ereignisse die Organisatoren des Münchner Christopher Street Day (CSD), der Ende Juni stattfand. Diese hatten im Vorfeld des CSD einschlägigen Gruppen die Teilnahme an der Politparade untersagt.

Vor allem Jüngere neigen zu israelfeindlichen Positionierungen.

Die Zeugin der Vorfälle auf dem Münchner Marienplatz berichtet, dass sie mit ihrer Gruppe »Be’er Sheva Munich Queer« am CSD teilnahm und dort seitens der Organisation und der Mehrheit der Besucher eine überwiegend positive Resonanz erfuhr. In München und Berlin herrschten sehr unterschiedliche Verhältnisse, so die Teilnehmerin: »In Berlin wäre ein Auftritt wie unserer mit Israel-Flagge auf dem CSD sicher nicht möglich.« Es zeige sich zudem ein Generationenkonflikt, bei dem Jüngere zu israelfeindlichen Positionierungen neigten.

»Homos sagen JA zu Israel«

Obwohl in der deutschen Hauptstadt auch die East Pride Berlin unter dem Motto »Homos sagen JA zu Israel« stattfand, zeigt sich dort und auch international insgesamt eine Tendenz zum israelfeindlichen und antisemitischen Konsens in der queeren Community.

Der New Yorker Dyke March etwa, an dem alljährlich Zehntausende teilnehmen, firmierte in diesem Jahr unter dem Slogan »Dykes Against Genocide« (»Lesben gegen Genozid«). Nach dem Protest jüdischer Lesben und Queers untermauerten die Organisatorinnen ihre Position sogar: »Der Dyke March unterstützt entschlossen die palästinensische Befreiung.« Wie eine solche »palästinensische Befreiung« aussehen dürfte, zeigen die Bilder der Hamas-Taten vom 7. Oktober allzu deutlich.

Derweil will das Organisationsteam des DykeMarch Berlin von einem Fehlverhalten seinerseits nichts wissen und wirft der betroffenen jüdischen Gruppe aus dem Möbel-Olfe in einem Instagram-Post Manipulationswillen vor. Die jüdischen Queers wollten den DykeMarch »spalten und ihm schaden«. Keine Spur von Einsicht, dass sich die Veranstalter antisemitischer Klischees bedienen und mit ihren Aussagen geradezu typische Täter-Opfer-Umkehr betreiben.

In Reaktion auf den Vorfall im Möbel-Ölfe hat sich unlängst eine neue Gruppe in Berlin zusammengefunden: »Dykes, Women and Queers against Antisemitism« - Lesben, Frauen und Queers gegen Judenhass. In ihrem ersten Statement auf Instagram schreiben sie: »Wir waren sehr lange in der Defensive und das ändern wir jetzt.«

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