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Jüdische Gemeinde und DIG kritisieren »Anti-Israel-Kampagne« gegen Shon Weissman

Oded Horowitz Foto: JG Düsseldorf

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Jüdische Gemeinde und DIG kritisieren »Anti-Israel-Kampagne« gegen Shon Weissman

Der israelische Fußballspieler sollte zu Fortuna Düsseldorf wechseln, doch wegen seiner Posts nach dem 7. Oktober 2023 platzte der Transfer

 07.08.2025 16:16 Uhr

Nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass der geplante Wechsel von Shon Weissman zu Fortuna Düsseldorf geplatzt ist, hält die Debatte dazu an. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hat den Vorgang als »Anti-Israel-Kampagne gegen den israelischen Fußballer« bezeichnet.

Es sei erschütternd, dass ihm der sportliche Einsatz in Düsseldorf verwehrt wurde, heißt es in einer in den sozialen Medien verbreiteten Stellungnahme: »Gerade jetzt, in einer Zeit, in der die Hamas-Propaganda Früchte trägt und versucht, israelische Künstler, Musiker oder Sportler zu isolieren, ist es mehr denn je unsere Pflicht, uns vor Menschen wie Shon Weissman zu stellen.«

Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft Düsseldorf hat eine »massive Kampagne« gegen den israelischen Spieler beklagt. Sie sei »Ausdruck eines in Deutschland weit verbreiteten israelfeindlichen und antisemitischen Klimas, das auch den Sport vergiftet«. Fortuna Düsseldorf stelle sich selbst ein Armutszeugnis aus, wenn der Verein den propagandistischen Unterstützern des Hamas-Terrors nachgebe. »Zugleich beschädigt der Verein den Ruf der Stadt Düsseldorf, die sich immer zu Israel bekannt hat«, heißt es in der Mitteilung der DIG Düsseldorf.

Jüdische Gemeinde trifft sich am Freitag mit Fortuna Düsseldorf

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Oded Horowitz, bestätigte in einem Gespräch mit unserer Zeitung, dass es am Freitag ein Treffen mit dem Vorstand von Fortuna Düsseldorf geben soll. »Ich hoffe, dass wir dann mehr Informationen bekommen und erfahren, warum der Wechsel geplatzt ist.« Er bedauert den Vorgang und erinnert sich nicht an ähnliche Auseinandersetzungen und Fanproteste in Bezug auf Spieler aus dem Iran, China oder Russland. »Insofern ist dies schon ein besonderer Fall, der wohl mit der allgemeinen Stimmung und der Tatsache, dass der Spieler Israeli ist, zu tun hat«, so Horowitz.

Bislang habe er bei Fortuna Düsseldorf stets eine sehr positive Haltung gegenüber der jüdischen Gemeinde und dem Staat Israel festgestellt. »Und da kann ich nur sagen: Entweder hat man eine Haltung – oder man hat sie nicht. Ich hoffe, dass wir nach unserem Gespräch am Freitag Klarheit haben.«

Zum Hintergrund: Der israelische Stürmer und Nationalspieler Shon Weissman sollte vom FC Granada zu Fortuna wechseln. Den obligatorischen Medizin-Check hatte er in Düsseldorf bereits absolviert. Doch dann teilte der Zweitligist in einem kurzen »Info-Tweet« am Dienstag mit: »Wir haben uns intensiv mit Shon Weissman beschäftigt, uns aber final entschieden, von einer Verpflichtung abzusehen.«

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Dies wurde als Reaktion auf Fanproteste gesehen. In der Kritik stand Weissman, da er nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober 2023 in sozialen Medien gefordert haben soll, »Gaza auszulöschen« und »200 Tonnen Bomben darauf abzuwerfen«, wie »Bild« berichtet. Der Spieler habe auch Posts mit Formulierungen geliked wie: »Es gibt keine Unschuldigen, sie müssen nicht vor dem Beschuss gewarnt werden, sondern löschen Sie einfach Gaza aus«. Auch bei seinem spanischen Verein soll es daraufhin Fanproteste gegeben haben.

In einer Petition auf change.org unter dem Titel »Verhindert Verpflichtung von Shon Weissman bei Fortuna Düsseldorf« ist zu lesen: »Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass unser Verein die Werte von Respekt, Inklusion und Gleichheit hochhält und Spieler verpflichtet, die diese Prinzipien verkörpern.« Weissmans Äußerungen stünden im krassen Gegensatz zu den Prinzipien, die Fortuna Düsseldorf vertrete und fördern möchte.

Shon Weissman wehrte sich auf seinem Instagram-Account gegen die Kritik: »Es ist sowohl möglich als auch notwendig, Gewalt gegen unschuldige Menschen auf beiden Seiten abzulehnen – aber ich werde nicht zulassen, dass ich als jemand dargestellt werde, der Hass gefördert hat.« Und weiter: »Ich bin zutiefst dankbar für die Unterstützung von Menschen, die mich wirklich kennen, und ich werde weiterhin stolz die israelische Flagge tragen – egal, wo ich spiele.«

Die »Rheinische Post« berichtet, dass das Management des Spielers mitgeteilt habe, dass der Spieler seine Online-Aktivitäten »aus tiefstem Herzen« bereue. Man hätte sich mehr Raum für Reue und Verständnis für Fehler gewünscht. »Aber in Deutschland scheinen die Leute sofort zu urteilen.«

Verpasste Chance

Roy Rajber von der Sportmanagement-Agentur Skylar Talent hat den Spieler viele Jahre lang begleitet und ihn auch bei den Transfers zu Real Valladolid und später nach Granada vertreten. In dieser Zeit habe er Shon Weissman als Familienmenschen, sozial und karitativ sehr engagierten Mitstreiter und als Patrioten kennengelernt. »Shon ist kein Rassist. Vor diesem Hintergrund machen mich die Schlagzeilen über den geplatzten Transfer zu Fortuna Düsseldorf tief traurig. Und vor allem machen sie mich nachdenklich«, sagte Rajber der Jüdischen Allgemeinen.

Die Beweggründe von Fortuna Düsseldorf, final von der Verpflichtung abzusehen, wurden bis dahin nicht kommuniziert. »Aber ich kann mir vorstellen, dass in der internen Diskussion auch eine Rolle spielte, dass der Verein in dieser Saison hohe sportliche Ziele verfolgt – den lang ersehnten Aufstieg in die Bundesliga. Unruhe, Verwirrung, Auseinandersetzungen, Nebenschauplätze – das kann man in so einer Phase nicht gebrauchen. Das ist kein Antisemitismus, sondern eher der Versuch, sich auf das Sportliche zu konzentrieren«, so Rajber.

Aus Sicht von Rajber ist die Situation für alle Beteiligten höchst bedauerlich: für Fortuna Düsseldorf deshalb, weil der talentierte Stürmer die Mannschaft verstärkt hätte – und für Shon Weissman, weil er es versäumt habe, sich frühzeitig und eindeutig für einen großen Fehler zu entschuldigen und die richtigen Lehren daraus zu ziehen. »Nämlich: über jedes unschuldige Leben zu trauern und sich für Frieden einzusetzen.«

Insgesamt meint Rajber, dass nicht nur ein sportlicher Moment, sondern auch eine gesellschaftliche Chance verpasst wurde – die Chance, mit Offenheit und Empathie auf ein sensibles Thema zu reagieren. »Statt eines konstruktiven Austauschs gab es Polarisierung. In der Wucht der sozialen Medien wurde von keiner Seite differenziert, sondern verurteilt – vorschnell, einseitig, laut.«

Man hätte diese Geschichte, die international hohe Wellen geschlagen hat, nutzen können, um Trauer und Leid auf beiden Seiten gemeinsam zu verarbeiten. »Man hätte dem Fußball die Chance geben können, seine verbindende Kraft zu entfalten – durch eine ernsthafte, sensible Auseinandersetzung, statt durch Rückzug.« ddk

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