Berlin

»Juden die Kehle durchschneiden!«

Einer der am Bahnhof Zoo angegriffenen Jugendlichen erlitt Schnittverletzungen, die in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Foto: dpa

»Ihr Scheiß-Juden!«, »Für euch ist hier kein Platz!«, »Wenn ich ein Messer dabei hätte, würde ich euch Juden die Kehle durchschneiden!«. Es sind Worte, die verstörend sind – und die trotzdem immer öfter auf Berlins Straßen zu hören sind. Genau zwei Tage nach dem antisemitischen Angriff auf ihn und seine Freunde ist der 17-jährige Berliner Schüler J. (der Name ist der Redaktion bekannt) noch spürbar mitgenommen. Ihm geht es zwar den Umständen entsprechend gut, »aber die Situation war schon krass und auch ein bisschen gefährlich«, wie J. im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen sagt. Im Folgenden schildert er die Tatnacht aus seiner Sicht.

Bedrohlich hat der Samstagabend nicht begonnen. Ganz im Gegenteil. Nachdem meine drei Freunde und ich zusammen am Lietzensee waren, wollten wir nachts am Bahnhof Zoo umsteigen und mit der U9 nach Hause fahren. Weil wir die U-Bahn knapp verpassten, gingen wir innerhalb des Bahnhofs zu einem Späti, um noch ein Bier zu kaufen.

Aus meinen tragbaren Boxen ertönte zufällig das Lied »Tel Aviv« des israelischen Sängers Omer Adam. Ich mag das Lied. Es erinnert mich an Israel und das Flair dort. Ich habe Familie in Israel. In diesem Moment bemerkte ich hinter mir drei arabisch aussehende junge Männer, die miteinander tuschelten und uns sehr seltsam ansahen.

Palästinenser Ich bin wirklich keiner, der sich schnell beeindrucken lässt, war früher Leistungsschwimmer bei Makkabi und habe auch lange Zeit Rugby gespielt. Trotzdem hatte ich in dem Moment die Sorge, dass sie uns von hinten angreifen könnten. Um einen Angriff zu vermeiden, fragte ich die drei freundlich, ob sie uns verfolgen würden.

Doch anstatt zu antworten, fragten sie zurück, ob ich Jude bin. »Ja«, habe ich geantwortet, woraufhin sie sagten, dass sie aus Gaza und Nablus kommen und Palästinenser sind. Dann folgten auch schon die ersten antisemitischen Beschimpfungen. Ich wollte die Situation deeskalieren und sagte, jeder hat doch das Recht seine eigene Musik zu hören. Die hören ja auch ihre arabische Musik. Gebracht hat das nichts.

Danach beleidigten uns die drei antisemitisch, bedrohten uns und griffen uns an. »Ihr Scheiß-Juden!«, »Für euch ist hier kein Platz!«, »Wenn ich ein Messer dabei hätte, würde ich euch Juden die Kehle durchschneiden!«, riefen sie. Mit einer abgebrochenen Flasche verletzten die Täter meinen Kumpel, der später in einem Krankenhaus wegen seiner Schnittwunden behandelt werden musste. Mich versuchten die drei, auf die Gleise zu schubsen und zu treten. Zum Glück konnte ich die Angriffe weitestgehend abwehren, aber heftig war es schon.

Schreck Was mich genauso schockiert wie der Angriff selbst: Alle Passanten haben weggeguckt. Auch der Sicherheitsdienst der Berliner Verkehrsbetriebe. Nur ein einziger Mann ist eingeschritten, der dann jedoch ebenfalls attackiert worden ist. »Scheiß Aleman!«, haben sie gerufen. Als die Täter realisierten, dass in der Zwischenzeit die Polizei gerufen worden war, rannten sie weg.

Es ist in jüngster Zeit viel über die täglich stattfindenden judenfeindlichen Beschimpfungen und Angriffe diskutiert worden. Es ist eine Diskussion, die ich in den Medien schon vor dem Angriff ein bisschen verfolgt habe. Aber wenn es einen selbst direkt betrifft, ist es noch mal etwas ganz anderes. Was bleibt, ist der Schreck. Für meine attackierten nichtjüdischen Freunde tut es mir auch unfassbar leid.

Ich möchte mich als Jude nicht verstecken. Aber mit israelischem Pop aus meinen Boxen werde ich erst einmal nicht mehr herumlaufen. Zumindest nicht am Zoo oder woanders, wo vermehrt Antisemiten und Israelhasser unterwegs sind.

Aufgezeichnet von Philipp Peyman Engel

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