Diplomatie

Jerusalem unser

Israel im Blick: Papst Benedikt bei seinem Besuch im Heiligen Land 2009 Foto: Flash 90

Knapp 20 Jahre nach ihrem Beginn stehen die Verhandlungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl über die Umsetzung ihres Grundlagenvertrags offenbar kurz vor dem Abschluss. Das Abkommen wird zwar strittige Steuerfragen lösen, aber das in 2.000 Jahren gemeinsamer Geschichte entstandene Misstrauen zwischen beiden Seiten erhält immer wieder neue Nahrung.

Der scheidende israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, kennt als studierter Mediävist das belastete Verhältnis zwischen Christen und Juden gut. Bevor er nach Rom kam, war er überdies nicht nur Generalkonsul in Berlin, sondern auch in Jerusalem für den Kontakt zu den anderen Religionsgemeinschaften zuständig. Für Lewy ist der Aussöhnungsprozess zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl »noch ein langer Weg«.

wurzeln Mit der Verurteilung des Antisemitismus in der Konzilserklärung »Nostra aetate« legte die katholische Kirche 1965 ihrerseits den Grundstein für einen Dialog mit dem Judentum. Das Zweite Vatikanische Konzil habe damit »Ja zu unseren jüdischen Wurzeln« gesagt, betont Kurienkardinal Kurt Koch, im Vatikan für den Dialog mit dem Judentum zuständig. Der Holocaust habe die Frage aufgeworfen, »ob im Christentum über Jahrhunderte präsente antijüdische Tendenzen mitverantwortlich für den Antisemitismus der Nazis« gewesen seien, sagt der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats.

Seither frage sich die Kirche: »Warum hat der christliche Widerstand gegen die grenzenlose Brutalität der Naziverbrechen nicht jenes Ausmaß und nicht jene Klarheit an den Tag gelegt, die man mit Recht hätte erwarten müssen?« Mit »Nostra aetate« setzte die Wende in den jüdisch-katholischen Beziehungen ein.

Doch zur Unterzeichnung des Grundlagenvertrags und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und dem Kirchenstaat kam es erst 1993. In der Zwischenzeit war es der Nahostkonflikt, der die Annäherung für die römische Seite erschwerte, denn viele dortige Christen sind Palästinenser. Wenn der Vatikan Gewalt gegen Palästinenser verurteilte, wurde das in Israel als Parteinahme und als mangelnde Achtung der eigenen Souveränität aufgefasst. Die Neufassung der Karfreitagsfürbitte für eine Bekehrung der Juden in der alten lateinischen Messe durch Benedikt XVI. belastete die Beziehungen ebenfalls erheblich.

Unvergessen ist in Israel überdies, dass der Heilige Stuhl 1947 bei den Vereinten Nationen in einer als »unheilige Allianz« betrachteten Übereinstimmung mit anderen Staaten die Internationalisierung Jerusalems in einer UN-Resolution durchsetzte. Noch immer ist der Status der von allen drei großen monotheistischen Religionen als heilig betrachteten Stadt zwischen Israel und dem Vatikan strittig.

Territorialansprüche Für den Ostteil der Stadt sowie für die 1967 besetzten Gebiete erkennt der Vatikan eine Souveränität des jüdischen Staates nicht an. Daran habe sich »nichts geändert«, versichert Ettore Balestrero, der als eine Art stellvertretender Außenminister des Heiligen Stuhls gilt. Kritik von palästinensischer Seite an der bevorstehenden Einigung mit Israel weist er deshalb zurück. Bei dem Abkommen gehe es um juristische und steuerrechtliche Fragen der katholischen Kirche in Israel, so Balestrero. Territorialansprüche würden bewusst ausgeklammert. Balestrero verweist auf ein entsprechendes Abkommen mit der PLO.

Auch eine Unterzeichnung des Vertrags zwischen Israel und dem Vatikan wird jedoch nicht alle Schwierigkeiten im beiderseitigen Verhältnis lösen. Roms Beziehung zu Israel werde auch künftig von einer strukturellen »Asymmetrie« geprägt sein, meint Botschafter Lewy. Unter allen bilateralen Beziehungen zwischen Staaten sind diejenigen zwischen Israel und dem Vatikan am wenigsten von materiellen Themen wie Ein- und Ausfuhr, Verteidigungspolitik oder Rüstungsgeschäften geprägt.

Nach wie vor begegnen Israel und der Vatikan einander mit einem tiefen Misstrauen. Lewy attestiert daher beiden Seiten eine Opferneurose, die blind für die Verletzungen des jeweils anderen mache. Auf katholischer Seite sieht Lewy bereits eine zum Dialog ausgestreckte Hand. Auf jüdischer Seite seien »einige Finger ausgestreckt, aber noch nicht alle«.

Eine Aussöhnung sei auch im Interesse Israels, betont der Botschafter, nicht nur die Einigung in Steuerfragen, nach der die katholische Kirche künftig Steuern auf Immobilien in Israel entrichten wird. »Die Dynamik geht in die richtige Richtung«, ist Lewy überzeugt, denn in den vergangenen Jahren hätten sich die Reihen derjenigen, die am Aussöhnungsprozess zwischen Katholiken und Juden beteiligt sind, entschieden erweitert.

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza/Westjordanland

Umfrage: Mehr als die Hälfte der Palästinenser befürwortet die Massaker vom 7. Oktober 2023

Klare Mehrheit der Palästinenser zudem gegen Entwaffnung der Hamas

 21.12.2025

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025