Studie

Jeder Dritte sieht Parallelen zwischen heute und NS-Zeit

Die Hälfte der Befragten zwischen 17 und 93 Jahren geht davon aus, dass ihre Familienmitglieder nicht zu den »Mitläufern« des NS-Systems gehörten. Foto: dpa

Mehr als jeder dritte Bundesbürger (35,9 Prozent) sieht einer Studie zufolge Parallelen zwischen aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland und der NS-Zeit. Zwei Drittel (65,6 Prozent) der Befragten halten zudem die Menschen heute grundsätzlich zu ähnlichen Taten wie im Nationalsozialismus für fähig, heißt es in der am Donnerstag vorgestellten zweiten »Memo Deutschland«-Studie zur Erinnerungskultur im Auftrag der Stiftung »Erinnerung Verantwortung Zukunft« (EVZ). Befragt wurden für die Studie 1000 Personen per Telefon. Die erste Studie wurde vor einem Jahr veröffentlicht.

Mit Blick auf die Rolle der eigenen Vorfahren in der NS-Zeit ergab die vom Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) durchgeführte Studie, dass in den in Deutschland lebenden Familien vor allem Geschichten von Opfern (35,9 Prozent) und Helfern (28,7 Prozent) weitergegeben werden. Das Wissen um Täter unter den eigenen Vorfahren ist dagegen vergleichsweise gering (19,6 Prozent).

Die Hälfte der Befragten zwischen 17 und 93 Jahren geht zudem davon aus, dass ihre Familienmitglieder nicht zu den »Mitläufern« des NS-Systems gehörten.

»mitläufer« Die Hälfte (50 Prozent) der Befragten zwischen 17 und 93 Jahren geht zudem davon aus, dass ihre Familienmitglieder nicht zu den »Mitläufern« des NS-Systems gehörten. Die Frage, ob die eigenen Vorfahren zu den Opfern des Nationalsozialismus gehörten, beantwortete mehr als jeder Dritte mit Ja (35,9 Prozent).

Allerdings gehörten nur 8,1 Prozent der Verwandten den von den Nazis verfolgten Opfergruppen wie Juden, Sinti und Roma oder politisch Verfolgten an. Rund 35 Prozent zählen ihre Angehörigen dagegen zu den NS-Opfern, weil sie Geflüchtete und Vertriebene oder zivile Opfer des Krieges waren. Hier zeigen sich Anzeichen einer Diskursverschiebung in der Erinnerungskultur, sagte der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick als Mitautor der Studie. Zugleich befürchten aber zwei Drittel der Bundesbürger (62,7 Prozent) eine Vereinnahmung der Erinnerungskultur durch Rechtspopulisten.

Zwei Drittel (65,9 Prozent) finden es sinnvoll, sich mit der NS-Vergangenheit der eigenen Familie zu befassen. Zugleich wird in der Hälfte der deutschen Familien (50,1 Prozent) nie oder nur selten darüber gesprochen. Als Hauptgründe für das Schweigen werden »kein Interesse« (17,9 Prozent) oder Sorge um emotionale Belastung« (zwölf Prozent) angegeben.

gedenkstätten Mehr als die Hälfte der Befragten (58 Prozent) hat sich wiederum eigeninitiativ mit der NS-Geschichte allgemein beschäftigt. Auslöser waren in der Regel entsprechende Dokumentar- oder Spielfilme oder das Internet. Bereits an vierter Stelle stehe der Besuch einer KZ-Gedenkstätte, sagte der Projektleiter der Studie, Jonas Rees. Fast jeder Zweite habe eine solche Gedenkstätte bereits besucht, davon knapp die Hälfte (47,3 Prozent) mit der Schule und ein knappes Drittel (28,3 Prozent) mit der Familie.

58 Prozent der Befragten haben sich eigeninitiativ mit der NS-Geschichte allgemein beschäftigt.

»Wir finden deutliche Diskrepanzen zwischen der Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung in der NS-Zeit und dem Wissen um die eigene Familiengeschichte«, sagte Rees. Gleichzeitig sei gerade bei jüngeren Befragten eine stärkere gesellschaftskritische Perspektive auf die NS-Zeit festzustellen.

Vor dem Hintergrund der aussterbenden Zeitzeugen würden Gedenkstätten als authentische Orte der Erinnerung eine entscheidende Rolle spielen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ, Andreas Eberhardt. Zugleich seien zeitgemäße, digitale Formen der Vermittlung von großer Bedeutung.  epd

Berlin

JSUD fordert Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Teheran

»Ohne den Iran hätte der 7. Oktober nicht passieren können«, sagt die Vorsitzende Hanna Veiler

 25.04.2024

Virginia

Biden: »Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich«

US-Präsident Biden verurteilt antiisraelische Proteste an Universitäten

 25.04.2024

Terror

Argentinien schreibt Irans Innenminister zur Fahndung aus

Er war offenbar 1994 an dem Bombenanschlag 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum Amia beteiligt

 25.04.2024

Oranienburg

Mehr antisemitische Vorfälle in Gedenkstätte Sachsenhausen

»Geschichtsrevisionistische Tabubrüche und Grenzverschiebungen von rechts« werden registriert

 25.04.2024

Berlin

Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz beschädigt

Kuratorin: «Auffällig, dass ausgerechnet Plakate zum israelbezogenen Antisemitismus beschädigt wurden«

 24.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024

Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

In der Fasanenstraße werden in einem Container die Bedingungen der Geiseln in Gaza simuliert

von Pascal Beck  22.04.2024