Geheimdienst

Jäger und Gejagte

Wir wissen nicht, ob sie ihre Martinis lieber gerührt oder geschüttelt trinken. Fest steht, dass diese Männer Profis sind, auch wenn sie auf den ersten Blick harmlos daherkommen. Mit Baseballkappen auf den Köpfen und Tennisschlägern unter den Armen wirkte die Gruppe, als wollte sie einfach nur einen unbeschwerten Urlaubstag in dem noblen Hotel verbringen, ein paar Bälle übers Netz schlagen und anschließend einen Drink an der Bar nehmen. Tatsächlich aber brachte sie den Tod. Berechnend, blitzschnell, mit einem Kissen. So unerwartet das Tötungskommando nach Dubai gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Genügend Stoff für einen spannenden Agententhriller. Bislang ist unklar, wer hinter der Ermordung des Hamasführers Mahmud al-Mabhuh am 20. Januar steckt. Doch die ganze Welt glaubt zu wissen, dass der Mossad die Fäden zog. Wie immer schweigt Jerusalem dazu beharrlich.

Die Annalen des berühmt-berüchtigten israelischen Auslandsgeheimdienstes sind voller ungelöster Rätsel, Mythen und Legenden. Wie viele gezielte Tötungen in aller Welt tatsächlich auf sein Konto gehen, wissen nur wenige Eingeweihte. Denn jeder Einsatz trägt den Stempel »Streng geheim!«. Selbst wenn – wie derzeit – eine diplomatische Krise droht, weicht Israel nicht ein Jota von diesem Leitsatz ab. Die elf mutmaßlichen Täter benutzten britische, irische und französische Pässe. Der deutsche Ausweis war wohl echt, ausgestellt in Köln. Die betroffenen Staaten sind verständlicherweise empört, wie sie zumindest offiziell beteuern. Im deutschen Außenministerium musste der israelische Gesandte einige Fragen beantworten. London bestellte Botschafter Ron Prosor ein. War Dubai ein peinlicher Fauxpas oder kalkuliertes Risiko? Eine glaubhafte Antwort wird die Welt wohl nie erhalten.

legendärer ruf Als Auslandsnachrichtendienst hat der Mossad primär die Aufgabe, Informationen zu beschaffen, die für die Sicherheit des Landes von Bedeutung sein könnten. Seinen legendären Ruf jedoch erlangte er nicht dadurch, andere auszuspionieren, sondern mit Aktionen, die zuweilen die Grenzen internationalen Rechts tangieren – oder diese überschreiten, zum Beispiel Mord und Entführung.

Weltweit Respekt verschaffte sich der Geheimdienst, als eine Handvoll kräftiger Männer und eine Frau im Mai 1960 nach Argentinien reiste und Adolf Eichmann in ein Auto zerrte, ihm Drogen einflößte und schließlich in ein Flugzeug nach Israel setzte. Eichmann, der Holocaust-Bürokrat, der Hitlers »Endlösung« umsetzte, wurde in Jerusalem zum Tode verurteilt und hingerichtet. Rafi Eitan, Kopf der Mossadtruppe in Argentinien, ist bis heute voller Emotionen: »In dem Moment, als ich merkte, wir haben ihn, fühlte ich im Namen von ganz Israel, dass ein riesiger Kampf gegen den Antisemitismus gewonnen war.«

Geheimdienste gibt es viele, doch Aktionen wie diese brachten dem Mossad den Ruf ein, der beste und furchtloseste der Welt zu sein – Verwegenheit statt Routine. Schon damals sollten die Feinde des jungen jüdischen Staates nirgends sicher sein. Die Agenten ließen sich das biblische Motto »Auge um Auge, Zahn um Zahn« in ihre Halsamulette gravieren. Zwar gibt es im eigenen Land Kritiker, die meinen, Liquidierungen dieser Art seien archaisch und kontraproduktiv, doch beim Großteil der Bevölkerung ist der Respekt bis heute ungebrochen. Mit stolzgeschwellter Brust raunt man sich nach einer Operation zu, dass das »ja wohl nur unsere Jungs« gewesen sein können. Auch nach Dubai ist dieser Satz zu hören. Die meisten Israelis sind davon überzeugt, dass die Agenten mit dem Davidstern jeden beliebigen Ort – und sei er auch noch so gut überwacht – erreichen könnten. Dass dabei gelegentlich einem befreundeten Land auf die Füße getreten wird, stört die wenigsten. Es ist ja zum »Wohle Israels«.

einsamkeit Nur ein Bruchteil der etwa 1.200 Mitarbeiter gehört zur aktiven Kommandoebene. Der Mossad greift zusätzlich auf viele freiwillige Helfer in den Zielländern zurück, die den Einsatz an Ort und Stelle logistisch unterstützen, etwa durch das Bereitstellen von Fahrzeugen, sicheren Wohnungen oder Informationen. Dennoch ist jede Aktion extrem riskant. Und selbst, wenn alles perfekt funktioniert, zahlen die Agenten jeder für sich einen hohen Preis. Sie sind ständig unterwegs, also mehr mit dem Job als mit ihren Partnern verheiratet. Die Scheidungsrate ist hoch. Dave Sheskin beschreibt in seinem Buch Waltzing with the wicked, wie der Dienst beim Mossad sein Privatleben zerstörte. 85 Prozent seien autobiografisch, beteuert er, lediglich ein kleiner Teil Fiktion. »Nach der Operation war auf einmal nichts mehr, wie es schien. Es war alles nur noch Schall und Rauch, nicht mal in meiner eigenen Familie konnte ich mein wahres Ich noch zeigen«, schreibt er.

Nicht nur die Angestellten müssen verschwiegen sein, auch die Identität des jeweiligen Mossad-Chefs wurde jahrzehntelang wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Erst nach dem Mord an Israels Premierminister Yitzchak Rabin und anderen Fehlschlägen im Ausland musste der in der Öffentlichkeit bis dahin nur als »S« bekannte Schabtai Schawit als Generaldirektor zurücktreten. Erst danach öffnete sich der Mossad langsam der Öffentlichkeit. Mittlerweile kann man sogar über das Internet zum Geheimagenten werden. Seit einigen Jahren werden über www.mossad.gov.il Stellen angeboten, auch Jobs für »spezielle Aufträge«.

Gotteszorn Die Welt hält zumeist den Atem an, wenn der Name Mossad fällt. Oft ist hinter vorgehaltener Hand sogar von Mut und Heldentaten die Rede. Auch wenn nicht alle Aktionen im In- und Ausland unumstritten sind. Zum Beispiel die »Operation Gotteszorn«. Nach der Ermordung von elf israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen in München 1972 begannen Agenten damit, die Mörder zu eliminieren. Schätzungsweise 20 Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe »Schwarzer September« wurden getötet. Es kamen jedoch auch Unschuldige bei dem Rachefeldzug ums Leben. 1974 ermordeten Israelis irrtümlich den marokkanischen Kellner Ahmad Boushiki, den sie für Ali Hassan Salameh hielten, einen der Verantwortlichen des Münchener Attentats. Zwei Jahrzehnte dauerte die Jagd auf die Mörder der israelischen Sportler. Steven Spielberg hat aus dem brisanten Material den Kinofilm München gemacht.
In der Hollywoodkomödie Leg dich nicht mit Zohan an wird das martialische Heldentum indes gehörig auf die Schippe genommen. Adam Sandler spielt einen Ex-Mossadagenten, der seinen eigenen Tod vortäuscht, um nicht mehr die Welt retten zu müssen, sondern endlich das tun zu können, was er wirklich will: Haare stylen.

In Wahrheit jedoch hat der Mossad rein gar nichts Komisches an sich, sondern ist untrennbar mit Blut und Tränen verbunden. In den 1960er-Jahren gelang es Eli Cohen als Agent im Feindesland, heikle Informationen aus der syrischen Regierung an seine Heimat Israel zu übermitteln. Doch der Spion flog auf: Aufgrund eines Stromausfalls waren alle Sender lahmgelegt. Nur der des Agenten funktionierte mit Batterien einwandfrei. So konnte ihn der syrische Geheimdienst beim Absetzen eines Funkspruchs gen Tel Aviv lokalisieren. Cohen wurde gefoltert und trotz internationaler Bemühungen in Damaskus öffentlich hingerichtet. 1985 enttarnte man den amerikanischen Juden Jonathan Pollard in Washington als israeli- schen Spion und verurteilte ihn zu lebenslanger Haft – eine der peinlichsten und kritischsten Affären in den amerikanisch-israelischen Beziehungen.

top oder flop? Übertroffen wurde dieser Fall im September 1997: Zwei Agenten injizierten dem damaligen Hamaschef Chaled Meshal in der jordanischen Hauptstadt Amman auf offener Straße ein tödliches Gift. Meshals Bodyguards konnten die Mossadleute jedoch überwältigen. Auf Druck von König Hussein und den USA musste die damalige Regierung unter Benjamin Netanjahu das Gegengift ins Nachbarland liefern, das Meshals Leben rettete. Und um die Agenten zurückzubekommen, war Israel ge- zwungen, Hamasgründer Scheich Jassin freizulassen. Mossadchef Danny Jatom trat nach der Affäre zurück. Sollte die Aktion in Dubai tatsächlich auf das Konto des israelischen Geheimdienstes gehen, stellt sich die Frage: top oder Flop? Einige israelische Zeitungen haben die Frage für sich bereits beantwortet und den Rücktritt des jetzigen Geheimdienstleiters Meir Dagan gefordert.

Doch selbst wenn mal eine Operation daneben geht, sind viele von der Bedeutung des Mossad überzeugt. So auch Schachar. Fünf Jahre lang arbeitete er in der Abteilung »Technologie« des »Instituts«. Seinen wahren Namen behält Schachar lieber für sich, auch was genau er für seinen Arbeitgeber tat, wird nicht preisgegeben. Nur so viel: »Die Erfahrung war unschätzbar, weil ich gelernt habe, außerhalb der Box zu denken. Der Feind soll niemals mit uns rechnen können. Darum dreht sich fast alles.« Außerdem habe er es genossen, in einem Team zu arbeiten, in dem alle mehr oder weniger nur aus einem Grund dabei sind: Zionismus. »Doch wir haben unseren Job natürlich nicht umsonst gemacht«, sagt Schachar, »die Bezahlung entsprach einem Gehalt in der Hightech-Branche.« Auch die Ehre, für den Mossad arbei- ten zu können, spielte für den jungen Mann, der in der Armee Mitglied einer Eliteeinheit war, eine wichtige Rolle. »Zu wissen, ich tue etwas Gutes, beschütze meine Heimat, hat mich beflügelt.« Es sei etwas Besonderes, an geheimen Projekten zu arbeiten, die sonst niemand kennt. »Auch, wenn man die meiste Zeit am Computer sitzt, hat das jede Menge Flair von 007.«

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