Nahost

Intifada, die dritte

Gewalttätige Palästinenserdemonstration am Montag dieser Woche in der Nähe von Beit El im Westjordanland Foto: Reuters

Nun töten sie wieder. Palästina im Aufruhr. Ist es die Ouvertüre zur dritten Intifada, zum Aufstand oder nur ein kurzes Aufbäumen? Das wird sich zeigen. Ändern wird sich nichts. Das blutige Konfliktrad dreht sich, wie schon seit 1882, weiter. Auch die üblichen »Erklärungen« pro und contra Israel oder Palästina, nur schwarz oder weiß, kennt jeder auswendig.

Konstruktive Lösungen fallen auch hiesigen Denkern und Machern nicht ein. Manche wollen israelische Waren, sofern im Westjordanland hergestellt, boykottieren. Das soll den Palästinensern helfen. Tatsächlich hilft es, ihre Arbeitslosigkeit zu steigern. Nun ziehen sich auch die wenigen israelischen Investoren zurück. Andere gibt es kaum, nicht einmal golfarabische. Vor allem wegen der Palästinenser-Korruption.

happy end Zwei Staaten – hier Israel, dort Palästina? Das wäre das Happy End. Was dann? Was soll zum Beispiel mit den 500.000 jüdischen Siedlern im Westjordanland geschehen und den 1,3 Millionen Palästinensern, die in Israel leben und Bürger des jüdischen Staates sind? Sollen jene Regionen »ethnisch gesäubert« werden? Wie? Mit Gewalt als innerjüdischem Bürgerkrieg oder als »Palästinenser gegen Siedler«-Krieg mit Israels Militär als Zuschauer? Absurd. Sollen die Siedler in klimatisierten Bussen nach Israel und Israels Araber ins Westjordanland verfrachtet werden? Auch absurd. Ebenso absurd ist die Vorstellung, man könnte die jüdischen Siedler wie auch immer aus dem Westjordanland verpflanzen, und Israels Araber würden bleiben, wo sie sind: in Israel.

Präsident Abbas’ Stuhl wackelt. Er droht Israel, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit aufzukündigen. Er weiß am besten, dass ihn die Hamas ohne Israels Hilfe im Sicherheitsbereich längst aus dem Amt gebombt hätte.

Die erste Intifada, der erste Volksaufstand der Palästinenser, tobte von 1987 bis 1993, die zweite von 2000 bis 2005. Zu Beginn der ersten Intifada gab es im Westjordanland rund 75.000 jüdische Siedler, am Ende 130.000. Zu Beginn der zweiten Intifada waren es 167.000, heute sind es circa 500.000. Die Bilanz ist eindeutig. Am Ende einer dritten, vierten oderoderoder Intifada wird sie für die Palästinenser noch ungünstiger sein.

kriege Die Hamas hat seit Israels Rückzug 2005 und der gewaltsamen Vertreibung der Fatah 2007 aus dem Gazastreifen mit Gewalt versucht, Israel in zwei Kriege zu locken – und verloren. Verheert ist das Gebiet. Wieder fliegen Raketen aus Gaza nach Israel, und wieder werden die Palästinenser durch Gewalt in den kollektiven Selbstmord getrieben.

So fern wie eh und je ist aber auch für Israel ein unblutiger Alltag. Das beträfe nicht nur Ost- und (!) West-Jerusalem oder das Westjordanland, sondern auch das Kernland. Israels Araber greifen vermehrt zu Gewalt. Das wird ihnen nur schaden. Doch Wohlleben für jüdische Israelis sieht anders aus.

Was tun? Gewalt mag für Palästinenser ein emotionaler Reflex sein. Doch für sie ist Gewalt noch mehr als für Israelis nicht nur tödlich, sondern politisch schädlich. Ergo: Gewaltverzicht jetzt. Von oben (Abbas & Co.) gibt es ihn faktisch, von Hamas, Dschihad und unten muss dessen alternativlose Notwendigkeit erkannt werden. Wenn nicht, haben sie sich einmal mehr mörderisch und selbstmörderisch verrannt.

lebensbedingungen Israel muss jetzt die völlig vernachlässigten Lebensbedingungen der Palästinenser im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und auch der eigenen arabisch-palästinensischen Staatsbürger grundlegend verbessern. Die reichen arabischen Staaten könnten sich daran beteiligen. Wollen sie? Nein. Bessere Lebensbedingungen im palästinensischen Alltag bringen noch keinen umfassenden Frieden, doch weniger Blut. Ruhe durch Wohlleben und Wohlstand. Nur wer nichts hat, hat nichts zu verlieren. Und langfristig? Juden wollen ihren jüdischen Staat eigentlich nur für sich. Umgekehrt und spiegelbildlich wollen Palästinenser ihren Staat auch nur für sich. Der Wunsch ist verständlich, aber unrealistisch und ersetzt keine Strategie.

Frieden durch Föderalismus. Das ist die Strategie, das ist der Weg. Ein Verbund aus Staatenbund und Bundesstaat wäre die Lösung. Sie orientierte sich an Selbstbestimmung und räumlicher Bevölkerungsverteilung von Juden und Palästinensern. Die Bedeutung von Grenzen und Staatsgebieten würde kleiner. Israel-Palästina wäre der Staatenbund. Die Bundesrepublik Palästina, ein Bundesstaat, bestände aus Westjordanland, Gazastreifen und Jordanien.

Das Parlament hätte zwei Kammern: eine allgemeine, wie der Bundestag, eine landsmannschaftlich arabisch-jüdische, wo auch die geografisch unterschiedlichen Palästinenser und Siedler des Bundeslandes Palästina vertreten wären. Die Araber Israels könnten zwischen der Staatsbürgerschaft Israels und Palästinas wählen, blieben aber, wie die jüdischen Siedler, wohnen, wo sie sind. Auch Israel bekäme eine erste, allgemeine, und eine zweite, jüdisch-arabische Kammer. Manche nennen das unrealistisch. Ich antworte: Der Plan ist eine realistische Alternative zum Kreislauf des Blutvergießens seit 1882.

Der Autor ist Historiker und Publizist. Unter anderem von ihm erschienen: »Wem gehört das Heilige Land?« (12. Auflage, Piper Taschenbuch 2015) und »Zum Weltfrieden« (dtv premium, München 2015)

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