Einspruch

Ich bin sehr viele

Lana Lux Foto: Chris Hartung

Einspruch

Ich bin sehr viele

Lana Lux hat einen Vorschlag zu den #MeToo- und #MeTwo-Debatten

von Lana Lux  14.08.2018 11:10 Uhr

MeToo war ein Erfolg. Doch am Ende ist nicht nur ein Bewusstsein für die Erfahrungen von Frauen entstanden, sondern auch Angst und Wut. #MeTwo hat das gleiche Potenzial. Es ist wichtig, dass wir betroffenen Menschen Gehör schenken und unser Verhalten hinterfragen. Doch zugleich müssen wir multikulturelle Identitäten verstehen. Es genügt nicht, wütend die Mehrheitsgesellschaft in Stücke zu reißen. Die Stücke müssen auch wieder zusammenfügt werden.

Meine eigene jahrelange Wut ist (fast) erloschen. Darum überlasse ich #MeTwo denen, die den Platz dafür brauchen; ich schlage stattdessen einen neuen Hashtag vor: #ManyMe. Niemand ist wirklich eins, doch fühlen sich manche von #ManyMe bedroht. Daher möchte ich eine Liebeserklärung machen an all die Länder und Kulturen, die mich (bis jetzt) ausmachen.

judentum Ein bedeutender Teil meiner Identität kommt aus dem Judentum: die Feiertage, das Jiddisch, der Umgang mit dem Tod, der hohe Stellenwert der Familie und das Gefühl, dass es etwas Größeres gibt als mich.

Aus der Ukraine kommt mein abenteuerlustiges Ich: Ich kann Gefahren riechen. Auch meine Liebe zu Tomatensaft und bestickter Kleidung kommt von dort. Aus Russland kommt die Sprache meines emotionalen Ichs: Ich stehe für meine Meinung ein und kann derbe fluchen. Allgemein aus dem Osten kommt mein glamouröses Ich: Schon mit 14 konnte ich den perfekten Lidstrich ziehen. Auch die Gastgeberin in mir stammt von dort – niemals wird ein Gast hungrig meine Wohnung verlassen.

Aus Deutschland kommt mein rationales und idealistisches Ich. Hier habe ich dialektisches Denken gelernt und die Verantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft und die der Gesellschaft für den Einzelnen verstanden. Auch mein pragmatisches Ich ist deutsch: Ich liebe es, flache Schuhe und Rucksack zu tragen, das ist rückenfreundlich. Aus Deutschland kommt auch ein Wort, ohne das ich meinen Wunsch, die Welt zu retten, nie verstehen oder beschreiben könnte: Weltschmerz.

Die Autorin ist Schriftstellerin in Berlin.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  30.11.2025

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 30.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  29.11.2025