Vor seiner am Sonntag begonnenen Reise nach Israel hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont, er besuche das Land, »um Israel unserer fortgesetzten Solidarität zu versichern – Solidarität nicht nur mit Israel als Opfer des Terrors, sondern auch mit Israel, das sich wehrt«. Begleitet wird Steinmeier unter anderen von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
Schuster würdigte den Besuch in einem Gastbeitrag für den »Spiegel« (Sonntag) als »bemerkenswerten Vorgang«, der ihn stolz auf seine Heimat Deutschland mache. Nach dem Bundeskanzler, der als erster westlicher Regierungschef in Israel gewesen sei, und der Außenministerin reise nun die dritte Delegation dorthin und drücke innerhalb kurzer Zeit »diese höchste Form der Verbundenheit mit dem Land und seinen Menschen« aus. Deutschland setze hier hohe Standards – »und das ist gut so, blickt man doch auf die Wankelmütigkeit in vielen Teilen der vermeintlichen europäischen Wertegemeinschaft«.
Dennoch bekundete Schuster auch Zweifel an der Belastbarkeit der westlichen Solidarität mit Israel und dem Judentum. Zwar sei die Bedeutung von Politikerreisen nach Israel wie die am Sonntag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas »kaum hoch genug einzuschätzen«, so Schuster. Aber die deutsche Enthaltung bei der UN-Resolution für eine dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen trübe das Bild. Und der Hamas-Terror werde im Westen »gerade an jenen Orten, die sich für besonders zivilisiert halten – den Universitäten, den Theaterhäusern, ja auch den Redaktionsstuben, einigen Regierungssitzen und bürgerlichen Milieus – relativiert«.
An der Seite Israels
Schon vor dem 7. Oktober sei in Deutschland Israel mehr und mehr als ein Problem angesehen worden. »Es fehlt die Empathie, Israel als mehr als nur eine Konfliktpartei im jahrzehntelangen Nahostkonflikt wahrzunehmen. Unter der Oberfläche der vor allem aus der Politik geäußerten Solidarität mit Israel ist dieser Mangel weiter zu spüren«, so Schuster.
Es sei durchaus möglich, fest an Israels Seite zu stehen und gleichzeitig dessen Regierung zu kritisieren, schrieb Schuster weiter. »Was häufig bleibt, ist eine Verkürzung der deutschen Haltung auf eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat wegen der Schoa. (...) Aber darin darf sich die Solidarität mit Israel doch nicht erschöpfen.« Denn: »Vielmehr gilt es, an der Seite Israels zu stehen, auch weil das Land dem unseren in Herrschaftssystem und Gesellschaftsform so gleicht wie kein anderes in der Region« – bei der Freiheit des Einzelnen, der Liberalität und dem absoluten Vorrang der Würde des Menschen. In vielem – Emanzipation, Innovationskraft, Ausgleich von Moderne und Tradition, Verteidigungsbereitschaft – sei Israel »sogar den einen oder anderen Schritt voraus«.
Steinmeier sagte in seiner am Samstag veröffentlichten Videobotschaft, seine Reise, die ihn auch nach Oman und Katar führt, sei notwendig. Er fahre in ein Land, das in den Augen der Welt inzwischen nicht mehr in erster Linie als verwundet und überfallen dastehe - »sondern ich fahre in ein Israel, das sich wehrt. Das um seine Existenz kämpft. Ein Israel, das für genau diese Gegenwehr immer mehr auch in der Kritik der Weltöffentlichkeit steht«.
Tief verwundet durch den Hamas-Terror
Seit seiner Gründung vor 75 Jahren sei Israel immer »bedroht in einer feindlich gesinnten Nachbarschaft«. Aber noch nie sei es so tief verwundet worden wie durch den Hamas-Terror am 7. Oktober.
Das viel beschworene »Existenzrecht« umfasse konkret das Recht auf Selbstverteidigung, wenn die Existenz bedroht sei. Niemand könne Israel verwehren, den Terror entschieden zu bekämpfen. Dieser Kampf bringe jedoch auch großes Leid unter unbewaffnete Zivilisten, die geschützt und versorgt werden müssten: »Das verlangt das humanitäre Völkerrecht, und das erwarten auch wir Deutschen«, so Steinmeier.
Für Deutschland stehe außer Frage, das jedes Menschenleben gleich schwer wiege, ergänzte der Bundespräsident: »Unsere Anteilnahme gilt allen zivilen Opfern dieses Krieges.« Aber politisch müsse man differenzieren und das Dilemma anerkennen, in dem Israel sich befinde: »Hamas unschädlich zu machen und zugleich Zivilisten zu schützen: das ist ein furchtbares Dilemma – ein Dilemma, das Hamas absichtlich herbeiführt, indem es Menschen als Schutzschilde missbraucht.«
Steinmeier betonte weiter: »Es kann keinen dauerhaften Frieden geben, solange Hamas für Israel eine mörderische Bedrohung bleibt. Gleichzeitig darf der Krieg, den Israel jetzt führt, nicht jede Chance auf eine Verständigung in der Zukunft vergiften.« Einen Ausweg gebe es nur mit einer Politik, die »mehr Sicherheit für Israel und zugleich mehr Zukunftsperspektiven für die Palästinenser« bieten könne – am besten in einer Zwei-Staaten-Lösung. dpa/kna/ja