Gesellschaft

Hin und Web

Alles virtuell, aber auch für die jüdische Gemeinschaft von großem Nutzen: das Internet Foto: dpa

Einsamkeit in der Diaspora? Das war gestern. Heute heißt es – dem Internet sei Dank – für Juden in aller Welt: Willkommen im Global Village! Debatten, Lernen, Unterhaltung und Ehevermittlung – das Virtuelle hält die reale jüdische Gemeinschaft über Kontinente und Zeitzonen hinweg zusammen. Ja, das Web wirkt mit seinen Online-Foren, Chats und sozialen Netzwerken sogar identitätsstiftend. In den vergangenen Jahren ist ein weitverzweigtes, oft interaktives und nicht zuletzt nutzwertorientiertes Angebot entstanden, das viele Bedürfnisse befriedigt und noch mehr weckt.

User Wie diese Zeitung pflegen auch andere Periodika Online-Auftritte, manche mit erstaunlichem Zuspruch: Die kleine türkische Gemeinde unterhält mit »el amaneser« die einzige Zeitung der Welt, die in Ladino erscheint. Drei Viertel der Besucher der (derzeit inaktiven) Seite kommen nicht aus der Türkei, sondern sind linguistisch interessiert. Edel und witzig präsentiert sich das New Yorker »Heeb Magazine«. Es richtet sich an die jüdische Jeunesse dorée der USA und zeigt im Netz Lifestyle-Rubriken wie die »Hundert größten jüdischen Film-Momente« und als »Gratuitous Jewess« titulierte jüdische Pin-up-Schönheiten. Im deutschsprachigen Raum existieren drei rein virtuelle Magazine: »HaGalil« deckt ein weites Themenspektrum ab, »Der Berliton« und »HaOlam« sind eher auf die Hauptstadt fokussiert.

Die jüdischen Gemeinden Deutschlands informieren über Angebote und das Judentum, auch die Lubawitscher präsentieren sich ausführlich. In ihrem deutschsprachigen Newsletter bietet die israelische Botschaft täglich kompakte Übersetzungen aus der Presse und aktuelle Informationen. Zahal bedient sich der Videoplattform YouTube und sendet dort auf Englisch, untertitelt und gelegentlich sogar auf Deutsch.

Mausklick Am interessantesten sind jene Angebote, bei denen Kommunikation nach beiden Seiten möglich ist, das sogenannte Web 2.0. Wer im sozialen Netzwerk Facebook ein Profil unterhält, hat unzählige Möglichkeiten, sich dort in virtuellen Gruppen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Ein Mausklick und man ist etwa dem »European Center for Jewish Students« beigetreten. An dessen elektronischer Pinnwand sind Veranstaltungen in aller Welt für junge Leute ebenso annonciert wie Jobangebote oder Stammtischeinladungen.

Facebook-Gruppen eignen sich vorzüglich für politische Anliegen, denn Mitglieder werden automatisch über Neuigkeiten informiert. So halten sich Hunderttausende auf dem Laufenden, ob es zum Beispiel Fortschritte bei Gilad Schalits Freilassung gibt. Auch während des Gazakriegs fanden sich rasch viele Unterstützer Israels aus aller Welt und versorgten einander mit Informationen und Argumenten.

Da jeder nach Belieben Gruppen gründen kann, findet man im Web 2.0 jede Menge origineller Satire mit jüdischem Bezug. Fast 2.000 Mitglieder bekennen in der gleichnamigen Facebook-Group »I was also a part of the Dubai Assassination Squad« und tauschen sich, nicht wirklich ernst gemeint, über Geheimdienstangelegenheiten aus. Im StudiVZ finden mehr als 700 Leute, man solle »Äquatorialguinea öffentlich kritisieren können«. Die Erklärung: »Ich habe diese Gruppe ins Leben gerufen, weil ich der Meinung bin, wir Deutschen sind gegenüber Äquatorialguinea immer noch zu gehemmt. Die meisten wissen ja noch nicht einmal, wo es liegt. Eventuell gibt es dort auch Drachen.«

Partnerbörse Zwar wurde Facebook von Mark Zuckerberg gegründet, was den 1984 in New York geborenen Juden zum jüngsten Selfmade-Milliardär aller Zeiten machte. Doch die Firma definiert sich selbstverständlich nicht als dezidiert jüdisch. Die vermutlich größte jüdische Erfolgsgeschichte im Internet dürfte daher ein ganz anderes, ebenfalls sehr interaktives Angebot sein: die Kontaktbörse »JDate«. Eine Besonderheit unterscheidet diese von allen anderen Partnerbörsen: Ganze 22 Prozent der Mitglieder geben an, dass ihre Beiträge von der eigenen Mutter bezahlt werden. Anscheinend eine gute Investition: Hunderte unter der Chuppa endende Erfolgsgeschichten zeugen davon, wie das Internet auch den physischen Fortbestand der jüdischen Kultur sichern hilft.

Selbst in der tiefsten Diaspora ist der Rabbiner nur eine E-Mail weit entfernt. Der kann seinerseits online den Talmud studieren und mit anderen darüber diskutieren. Aus der Sicht eines Informatikers ist übrigens der Talmud so etwas wie der erste »Hypertext« der Menschheitsgeschichte: ein Dokument, das in einer netzartigen Struktur Informationen durch Verbindungen zwischen Wissenseinheiten verknüpft. Wenn das nicht modern ist.

Atomprogramm

Iran stimmt Verhandlungen mit europäischen Staaten zu

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben dem Iran mit der Wiedereinführung alter Sanktionen gedroht. Nun hat sich der Iran offen für neue Gespräche gezeigt, die bereits nächste Woche stattfinden könnten.

 20.07.2025

75 Jahre

Bundespräsident und Kanzler würdigen Zentralrat

Führende Vertreter von Staat und Kirchen haben den Zentralrat der Juden in Deutschland gewürdigt. In die Anerkennung mischte sich auch die Sorge angesichts des zunehmenden Antisemitismus

 20.07.2025

Pride

Antisemitismus-Vorwurf gegen CSD-Veranstalter

Nach dem ersten Christopher Street Day (CSD) in Ronnenberg hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Äußerungen der Veranstalter massiv kritisiert. Die Organisatoren hatten auf Instagram geschrieben, dass der CSD »nie ein Platz für Zionismus und Hass« sein solle.

 20.07.2025

75 Jahre Zentralrat

Kulturstaatsminister: Jüdisches Leben kein »historisches Anhängsel«

Jüdisches Leben in Deutschland sei kein Gnadenakt, sondern zentraler Bestandteil der Gesellschaft, sagte Kulturstaatsminister Weimer. Dies sei auch ein Verdienst des Zentralrats der Juden in Deutschland.

 20.07.2025

Justiz

»Bedürfnis nach Austausch«

Die Frankfurter Richterin Julia Bešlin über die Gründung des Jüdischen Juristenverbands in Deutschland (JJVD) und die Frage, warum so viele Juden Anwälte werden

von Joshua Schultheis  20.07.2025

Potsdam

Brandenburg: Ja zum Existenzrecht Israels künftig Bedingung zur Einbürgerung

Die Entscheidung der Landesregierung gilt seit Juni dieses Jahres

 18.07.2025

Berlin

Wo die Intifada globalisiert und gegen Zionisten gehetzt wird

Ein Augenzeugenbericht über einen merkwürdigen Abend an der Freien Universität, der mit einem Hausverbot endete

von Alon David  18.07.2025

Meinung

Kein Mensch interessiert sich für den AStA, aber vielleicht sollte man es

An der FU Berlin berieten Studenten darüber, wie man die Intifada globalisieren könnte. Darüber kann man lachen, doch den radikalen Israelfeinden steht der Marsch durch die Institutionen noch bevor

von Noam Petri  18.07.2025

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025