Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Israel aufgefordert, umgehend die Lieferung von Hilfsgütern an die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. »Die Blockade für Hilfsgüter muss aufgehoben werden, humanitäre Hilfsgüter, medizinische Hilfsgüter - nicht irgendwann, sondern jetzt«, sagte Steinmeier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Präsident Isaac Herzog in Berlin.
Er erkenne das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee verursache, »indem sie sich feige hinter Zivilisten versteckt und dabei weiter Raketen auf Israel abfeuert«. Er sehe auch das Dilemma, das die Terrororganisation schaffe, indem sie sich an Hilfsgütern bereichere. »Aber ich befürchte auch, dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht.«
Steinmeier fordert, friedliche Lösung des Nahostkonflikts auszuloten
Steinmeier appellierte an Israel und seine regionalen Nachbarn, jetzt die Möglichkeit für eine friedliche Lösung des Konflikts auszuloten. Er habe bei seinen Reisen in die Region eine bislang nicht gesehene Offenheit arabischer Staaten dafür erlebt. »Deshalb gibt es ein Fenster der Möglichkeit, bei dem man testen muss, ob seriös gespielt wird auf allen Seiten.« Solche Fenster schlössen sich auch wieder, warnte Steinmeier.
Herzog betonte, »Schlüssel zu allem« sei die Rückführung der Geiseln, die sich noch in der Hand der Hamas befänden. Wenn diese erfolge, werde sich die Situation in Gaza dramatisch ändern. »Von hier appelliere ich an die Menschheitsfamilie: Bringt sie zurück bis zum Letzten«, sagte Herzog.
Tiefe Freundschaft
Gastgeber Steinmeier würdigte bei der Pressekonferenz mit Herzog die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland vor 60 Jahren. »Für uns Deutsche war das ein Geschenk, das wir nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Zivilisationsbruchs der Schoa nicht erwarten durften«, sagte er.
Das Fundament der Beziehungen sei tief und tragfähig. »Es trägt die Erinnerung an die Vergangenheit ebenso in sich wie die geteilten Werte zweier liberaler rechtsstaatlicher Demokratien.« Steinmeier betonte, vielleicht könne die »ganz und gar unglaubliche deutsch-israelische Versöhnungsgeschichte« selbst ein Hoffnungsschimmer sein. »Frieden ist möglich, Versöhnung ist möglich.«
Herzog sagte, Steinmeiers Worte und Taten seien »ein Beispiel und Vorbild für moralische Klarheit, für das mutige Bündnis zwischen unseren Ländern und Völkern«. Kurze Zeit nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei Steinmeier nach Israel gereist und habe seine Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck gebracht. »So verhält sich ein wahrer Freund«, sagte Herzog. Man sei stolz auf das Bündnis mit Deutschland und schätze »die tiefe Freundschaft und den deutschen Beitrag zu Israels Sicherheit und Wohlstand sehr«.
Am 12. Mai 1965 hatten Bundeskanzler Ludwig Erhard und der israelische Ministerpräsident Levi Eschkol die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Vorausgegangen war eine schrittweise Annäherung beider Staaten, deren Verhältnis durch den Holocaust, die Ermordung von rund sechs Millionen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, extrem belastet war. dpa