Antisemitismus

Hasskommentare und weniger Umsatz

Nir Rosenfeld vor der »Dominion Food Revolution« in Frankfurt am Main. Er betreibt drei weitere Restaurants in der Mainmetropole. Foto: picture alliance / epd-bild

Die Wörter sind so kleingeschrieben, dass man sie nur erkennt, wenn man wenige Meter vor dem großen Namensschild des Restaurants steht: Unter »Kuli Alma« steht »Israeli Kitchen«. Dieser Zusatz macht dem Frankfurter Gastronomen Nir Rosenfeld große Probleme.

»Anonyme Anrufe nehmen wir im Restaurant nicht mehr an. Wir wurden bereits häufiger gefragt, warum man uns noch nicht vergast hätte«, sagt Rosenfeld, der in Israel geboren wurde und seit 21 Jahren in Deutschland lebt. Von den vier Restaurants, die Rosenfeld in Frankfurt am Main betreibt, sind drei koscher.

Frankfurt hat nach Berlin mit 6300 Mitgliedern die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland, es gibt in der Banken-Metropole sogar mehr koschere gastronomische Angebote als in der Bundeshauptstadt.

Antisemitische Bewertungen

Doch seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist der Umsatz in Rosenfeld Restaurants zurückgegangen. Im Gegenzug seien antisemitische Bewertungen über seine Lokale gestiegen. Auf Google etwa schreibt eine Nutzerin über ihren angeblichen Besuch, den sie mit einem Stern bewertet hat: »Ziemlich irreführend. ›Palästinensisches Essen‹ müsste es heißen, so etwas wie ›israelisches Essen‹ gibt es nicht, da es dieses Land überhaupt nicht gibt. Keine Empfehlung.«

Für solche Kommentare bezahlt Rosenfeld einen Anwalt, damit Google sie löscht. Hasskommentare entferne Google in der Regel, doch nicht die Ein-Stern-Bewertungen ohne eine Angabe von Gründen, erzählt Rosenfeld.

Auch offline sieht sich Rosenfeld mit Antisemitismus konfrontiert. Ein Bekannter habe ihm neulich einen - freundlich gemeinten - Hinweis gegeben, dass er als Jude in Deutschland keine Steuern zahlen müsse.

Ambivalentes Bild

Im Jüdischen Museum Frankfurt, in dem Rosenfeld das Restaurant »Life Deli« betreibt, zeigt sich ein ambivalentes Bild. Seit Beginn des Jahres verzeichne man einen Besucherrückgang um 15 Prozent, teilt das Museum mit. Aber bei Events wie der »Nacht der Museen« kämen mehr Besucher.

Zwar erhalte das Museum zahlreiche Solidaritätsbekundungen von Besuchern, doch hätten antisemitische Zuschriften, Kommentare und Bewertungen auf Social Media sowie auf den Feedback-Wänden innerhalb des Museums zugenommen. Da das Jüdische Museum eine Einrichtung der Stadt Frankfurt am Main ist, übernimmt die Stadt auch die rechtliche Vertretung.

Die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen sind laut der Polizei Frankfurt weiterhin auf einem »dauerhaft hohen Niveau«. Dies betreffe aber nur öffentliche Einrichtungen, wie Synagogen, Museen und Schulen. Die koscheren Restaurants von Nir Rosenfeld sind ausgenommen. In den ersten Tagen nach dem Terroranschlag habe er auf eigene Kosten einen Sicherheitsdienst für seine Restaurants engagiert, sagt er.

Muslimische Gäste

Rosenfeld hat auch viele muslimische Gäste. Weil er die Kaschrut, die jüdischen Speisevorschriften befolgt, können Muslime sicher sein, dass sein Essen auch halal ist. Täglich - außer am Schabbat - kommt ein von der Gemeinde bestellter Aufseher in Rosenfelds Restaurants und überprüft den Zubereitungsprozess.

»Bei uns wird in jeden Pilz geguckt. Denn ein Wurm im Salat ist für gläubige Juden genauso schlimm wie zum Beispiel der Verzehr von Schweinefleisch«, sagt der Gastronom.

Das koschere Restaurant »Sohar’s« befindet sich auf dem Gelände der jüdischen Gemeinde Frankfurt und wird von Sicherheitskräften sowie von der Polizei mit beschützt. Doch auch das »Sohar’s« hat mit fehlenden Einnahmen zu kämpfen, sagt Matan Gur, der Sohn des Geschäftsführers.

Hitlers Drohungen

Anders als in Rosenfelds Restaurants liegt es dort jedoch an dem verstärkten Sicherheitskonzept, das Gäste abschreckt. In den ersten Monaten nach dem 7. Oktober seien zudem Einnahmen für Catering weggefallen, weil in der jüdischen Community auch niemand für private Feste in der Stimmung gewesen sei.

Noch fühlt sich der Gastronom in Deutschland wohl und sicher. »Trotzdem mache ich mir Sorgen, wenn ich sehe, was in anderen europäischen Ländern oder den USA mit jüdischen Menschen passiert«.
Rosenfeld erinnert sich in letzter Zeit öfter an seinen polnischen Großvater, der die Schoa überlebte.

»Er hat Hitlers Drohungen sofort ernst genommen und wanderte nach Israel aus. Irgendwann wird es auch für mich zurückgehen«, ist sich Rosenfeld sicher: »Ich will meine israelische Identität leben und nicht verstecken müssen.«

Berlin

Kritik an Merz-Zitat zur »Drecksarbeit« Israels im Iran

Der Bundeskanzler lobt den Mut Israels beim Vorgehen gegen den Iran. Die Äußerungen sorgen in Deutschland auch für Kritik – auch in den Reihen des Koalitionspartners SPD

 18.06.2025

Extremismus

Jüdische Studenten fordern Maßnahmen gegen »Jüdische Stimme«

Der VJSH verlangt unter anderem, dass dem Verein »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden« die Gemeinnützigkeit entzogen wird

von Imanuel Marcus  18.06.2025

Mannheim

Jüdische Gemeinde nicht bei »Meile der Religionen«

Wegen des Kriegs zwischen Israel und Iran sowie wegen des Nahost-Konflikts hat die Jüdische Gemeinde Mannheim ihre Teilnahme an einem Dialogfest abgesagt. Sie fürchtet Proteste. Die Sicherheit sei nicht gewährleistet

von Volker Hasenauer  18.06.2025

Teheran

Chamenei lehnt Forderung nach Kapitulation ab

Der iranische Staatschef gibt sich laut iranischer Staatsmedien unbeugsam und droht den USA im Falle einer militärischen Beteiligung an dem Konflikt mit Israel. Zu sehen ist der Geistliche aber nicht

 18.06.2025

Nikosia

Zypern bestätigt Ankunft von US-Militärflugzeugen

Die Menschen auf Zypern bemerken Nacht für Nacht die Raketen und die Luftabwehr über Israel. Nun verlegt das US-Militär Tank- und Transportflugzeuge auf die Insel

 18.06.2025

Extremismus

Die Gefahr wächst

Der Verfassungsschutzbericht für 2024 offenbart, wie dramatisch sich der Nahostkonflikt auf Deutschland auswirkt

von Michael Thaidigsmann  18.06.2025

Washington D.C./Jerusalem

US-Botschaft in Israel bleibt bis Freitag geschlossen

Zuletzt gab es vermehrt Spekulationen, ob sich die USA an Israels Krieg gegen den Iran beteiligen könnten. In diesem Fall könnten auch US-Stützpunkte und Einrichtungen in der Region zum Ziel werden

 18.06.2025

Teheran

Chamenei droht Israel: »Die Schlacht beginnt«

Nach Luftangriffen auf Atomanlagen und Militärziele in seinem Land kündigt der Kleriker eine starke Antwort an

 18.06.2025

Luftfahrtmesse

Frankreich schließt israelische Stände

Die Betreiber sollen entgegen der Auflagen Angriffswaffen ausgestellt haben

 17.06.2025