Bundestag

Härtere Strafen für Hass im Netz

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Foto: Marco Limberg

Wer im Internet und in sozialen Medien hetzt und Menschen bedroht, muss künftig mit deutlich härteren Strafen rechnen. Bereits die Androhung von gefährlichen Körperverletzungen und sexuellen Übergriffen gilt künftig als Straftat – wie bisher nur bei Morddrohungen. Damit können Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren verhängt werden.

Der Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von AfD und Linken und bei Enthaltung der FDP und der Grünen verabschiedet.

»KLIMA DER GEWALT« »Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen«, erklärte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). »Das sind entschlossene Schritte gegen Menschen- und Demokratiefeinde, die ein gefährliches Klima der Gewalt schüren.«

Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau und die hohe Zahl weiterer rechtsextremistischer Gewalttaten zeigten, wie dringend nötig es sei, die Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen, so Lambrecht.

ANTISEMITISMUS Durch das Gesetz sollen auch Kommunalpolitiker besonders geschützt werden. Öffentliche Beleidigungen sollen im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können. Der Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens soll auch für Taten gegen Personen bis hin zur kommunalen Ebene gelten.

Als rechtswidrig gilt künftig auch die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Dies ist eine Reaktion auf die Erfahrungen nach der Ermordung Lübckes im Juni 2019. Bei der Strafzumessung werden künftig mögliche antisemitische Motive eines Täters ausgedrücklich genannt.

Im modifizierten Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs wird der Hass auf Juden nun erstmals ausdrücklich als Beispiel für menschenverachtende Beweggründe und Ziele aufgeführt, das bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sei. Hierfür hatte sich der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eingesetzt.

MELDEPFLICHT Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter müssen zudem bestimmte Posts künftig nicht nur löschen, sondern unverzüglich dem Bundeskriminalamt (BKA) melden, um so eine Strafverfolgung zu ermöglichen. Um die Täter schnell zu identifizieren, müssen die Betreiber der Plattformen auch IP-Adressen weitergeben.

Das soll den Behörden laut Lambrecht helfen, die Urheber von Hasskommentaren im Netz schneller aufzuspüren. »Und deswegen gehen wir jetzt diesen Schritt, um deutlich zu machen: Keiner, der im Netz hetzt, der Hass verbreitet, kann sich sicher sein«, betonte sie.

Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, die selbst gerichtlich gegen hasserfüllte und sexistische Beleidigungen vorgeht, sagte im Bundestag, ein solches Gesetz sei »dringend nötig«. Sie kritisierte aber, dass »massenhaft Benutzerdaten« an das BKA weitergegeben werden sollten.

KRITIK Künast hob hervor, der Hass habe nicht erst mit der Tat von Kassel vor einem Jahr begonnen. Die Amadeu Antonio Stiftung zähle seit 1990 mindestens 208 Todesopfer rechter Gewalt. »Wir sind zu spät aufgewacht«, sagte Künast.

Die AfD-Fraktion sah in der Regelung eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Stephan Brandner (AfD) warf der Koalition vor, mit dem Gesetz mit Begriffen wie Hass und Hetze den Sprachgebrauch der DDR zu übernehmen und die Meinungsfreiheit massiv einzuschränken.

Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sagte, die Verrohung im Netz bedrohe die freiheitliche Grundordnung. Benjamin Strasser von der FDP beklagte, dass der Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren unterschätzt worden sei. Er äußerte zugleich Bedenken, etwa gegen die Herausgabepflicht von Passwörtern. Auch Niema Movassat (Die Linke) kritisiere eine »Datensammelei«. Ferner habe das Gesetz einen falschen Ansatz, da Strafverschärfungen allein Täter nicht von der Tat abhielten. kna/dpa/epd/ja

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025

Sydney

Attentäter warfen Sprengsätze auf Teilnehmer der Chanukka-Feier

Die mutmaßlichen Attentäter Naveed und Sajid Akram bereiteten sich auf das Massaker vor. Ihre Bomben explodierten nicht

 22.12.2025

New York

Tucker Carlson ist »Antisemit des Jahres«

Die Organisation StopAntisemitism erklärt, ausschlaggebend seien Beiträge, in denen er erklärten Judenhassern, Holocaustleugnern und extremistischen Ideologen eine große Bühne geboten habe

 22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza

Das Problem mit der Entwaffnung

Die Hamas weigert sich strikt, die Waffen niederzulegen. Was Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung findet und den Friedensplan stocken lässt

 21.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025