Dresden

»Geschmacklos und geschichtsvergessen«

»Pegida«-Demonstration am Abend des 9. November in Dresden Foto: dpa

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, Michael Hurshell, hat sich am Dienstagvormittag enttäuscht darüber gezeigt, dass eine »Pegida«-Demonstration am Abend des 9. November in Dresden stattfinden konnte. »Das ist schwer nachzuvollziehen«, sagte Hurshell im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.

Der Beauftragte der sächsischen Staatsregierung für jüdisches Leben, Thomas Feist (CDU), hat sich der Kritik an der Genehmigung der »Pegida«-Demonstration angeschlossen.

pogrome Dass dort ausgerechnet am Gedenktag für die Opfer der antijüdischen Pogrome von 1938 ein Rechtsextremist wie Ex-AfD-Politiker Andreas Kalbitz eine Bühne bekomme, sei »absolut inakzeptabel«, erklärte Feist in der Nacht zu Dienstag in Dresden.

»Die Fassungslosigkeit und Empörung der Jüdischen Gemeinde Dresden ist für mich absolut nachvollziehbar«, sagte Feist. Es habe der Stadtverwaltung an Sensibilität gefehlt und an dem Anspruch, über Möglichkeiten zu sprechen, die fremdenfeindliche Veranstaltung »beispielsweise durch ein städtisch organisiertes Gedenken am geplanten Versammlungsort von ‚Pegida‘« zu verhindern.

Das von Dresden ausgehende Signal sei weit über die sächsische Landeshauptstadt hinaus verheerend.

Das von Dresden ausgehende Signal sei weit über die sächsische Landeshauptstadt hinaus verheerend, sagte er weiter. »Wenn man sich heute nicht dazu bekennt, dass jüdisches Leben zur Stadt gehörte und gehört, dieses wertschätzt und gegen seine Feinde verteidigt, schädigt man das bisherige Vertrauensverhältnis nachhaltig«, betonte Feist.

PLAKAT Bei der Demonstration der islam- und ausländerfeindlichen »Pegida«-Bewegung in Dresden wurde ein Plakat mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz gezeigt. »Das Transparent wurde sichergestellt und wird nun strafrechtlich geprüft«, teilte die Polizei Sachsen am Montagabend auf Twitter mit.

In einer Polizeimitteilung hieß es, es sei zudem ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet worden. 

Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Auf einem Foto, auf das sich auch die Polizei Sachsen in ihrem Tweet bezog, war ein Plakat abgebildet, auf dem sehr deutlich ein Hakenkreuz zu erkennen war. Die Linien, mit denen es durchgestrichen war, waren hingegen sehr dünn und weniger deutlich zu erkennen. Zeugenaussagen zufolge habe zudem am Montagabend ein Mann, der auf der Demo war, danach den Hitlergruß gezeigt.

EMPÖRUNG Sachsens Landesrabbiner Zsolt Balla sagte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, die Bilder vom Montagabend hätten seine Äußerung vom Montag bestätigt. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland und Balla hatten betont, es sei »absolut geschmacklos und geschichtsvergessen«, dass eine solche Demonstration am 9. November durchgeführt werden dürfe.

Auch das Internationale Auschwitz Komitee schloss sich der Kritik an der Demonstration an. Für Holocaust-Überlebende sei es schwer erträglich und inakzeptabel, dass die »Pegida«-Bewegung in Dresden erneut an einem 9. November die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nazistische Stimmungen unter die Leute bringen konnte, erklärte der Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, am Dienstag in Berlin.

Die Jüdische Gemeinde Dresden hatte zuvor »mit großer Fassungslosigkeit und voller Empörung« auf die geplante »Pegida«-Veranstaltung am Jahrestag der antijüdischen Novemberpogrome vom 9. November 1938 reagiert. Der Dresdener Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte am Montag erklärt, weder Grundgesetz noch sächsisches Versammlungsgesetz böten eine Grundlage, das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken.

Heubner warf den städtischen Behörden mangelndes Erinnerungsvermögen und Gedankenarmut vor. Sie hätten auf diese Situation seit Langem vorbereitet sein können. Durch ihre Tatenlosigkeit hätten sie »Pegida«-Gefolgsleuten erneut eine Bühne ermöglicht. Dabei verwies Heubner auf eine gleiche Situation bereits vor fünf Jahren, am 9. November 2015: »Im Jahr 2020 hätte man zumindest versuchen können, diese würdelose Situation durch rechtzeitige alternative Planungen zu verhindern.« ja/dpa/epd

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