Nahost

Gefährliche Eskalation

Mit einem Zelt auf israelischem Boden will die Schiiten-Miliz Hisbollah provozieren. Foto: Flash 90

Es waren Worte, die martialischer nicht hätten sein können. Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah kündigte dieser Tage an, Israel in die »Steinzeit zurückzuversetzen«. Damit konterte der Chef der schiitischen Terrormiliz vor einigen Tagen die Worte des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant, der dies zuvor dem Libanon angedroht hatte, sofern der Zedernstaat beabsichtige, Israel anzugreifen.

Gallant hatte am 8. August während seines Besuchs am Berg Dov in der Grenzregion klargemacht: »Ich warne die Hisbollah und Nasrallah davor, einen Fehler zu machen. Sie haben in der Vergangenheit Fehler gemacht und einen sehr hohen Preis dafür bezahlt. Wir werden nicht zögern, unsere ganze Stärke einzusetzen«, sagte Gallant. Man werde notfalls »jeden Meter« im Libanon angreifen, so Gallant. »Wir wollen keinen Krieg, aber wir sind bereit, unsere Bürger, unsere Soldaten und unsere Souveränität zu verteidigen.«

RÜCKBLICK Kurz zuvor hatte sich die Lage zugespitzt, als Nasrallah mit einem Angriff auf Israel drohte, falls es versuchen sollte, ein von seiner Terrororganisation an der inoffiziellen Grenze zum Libanon aufgebautes Zelt zu entfernen. Nur kurz zuvor hatten Truppen der israelischen Armee einen Versuch mutmaßlicher Hisbollah-Kämpfer vereitelt, den Grenzzaun in der Nähe der nördlichen Stadt Zarit zu beschädigen. Dies war der jüngste in einer Reihe von Sicherheitsvorfällen an der von den Vereinten Nationen überwachten Grenze.

Israel versucht seit Anfang Juni, die beiden Zelte in der Dov-Region zu entfernen. Eine der Anlagen wurde abgebaut, nachdem Jerusalem Berichten in israelischen Medien zufolge eine Nachricht an die Hisbollah geschickt hatte, in der es mit einer bewaffneten Konfrontation drohte, falls der Außenposten nicht bald entfernt würde. Anschließend hob Nasrallah hervor, das zweite Zelt werde bleiben, wo es ist.

In einer vom libanesischen Fernsehen übertragenen Rede gab der Terrorchef sich jetzt überlegen: »Die israelische Armee befindet sich heute in einem sehr schwachen Zustand. Es herrscht mangelndes Vertrauen zwischen den Soldaten und den Kommandeuren und ein Mangel an Vertrauen zwischen der Armee und der politischen Klasse.«

spaltung Nasrallah prahlte zudem damit, sich bestens in Israels Innenpolitik auszukennen: »Angesichts der politischen Spaltung ist die Lage Israels die schlimmste aller Zeiten. Aber der wirkliche Schlag für die Armee wird sein, wenn das neue Rekrutierungsgesetz für religiöse Extremisten verabschiedet wird. Sie sagen, dass dieses Gesetz eine bedeutende Schwächung für die Armee bedeuten würde.« Der Chef der schiitischen Terrorgruppe zitierte auch angebliche israelische Generäle, die sagten, »dass die Heimatfront Israels nicht bereit« sei.

Einen Monat zuvor hatte das Alma Center für die Erforschung von Sicherheitsherausforderungen im Norden eine Lagebeurteilung veröffentlicht. Die Wissenschaftler erklärten, sie hätten an der Grenze »ein klares Muster identifiziert«. Die Hisbollah sorge gezielt für Spannungen und Eskalationen an der sogenannten Blauen Linie, der Trennlinie zwischen Israel und dem Libanon gemäß der Resolution der Vereinten Nationen.

»Die Gefahr, dass Israel in einen Krieg verwickelt wird, ist groß«, sagt eine Expertin.

Die Gründerin und Vorsitzende des Center, Sarit Zehavi, untersucht die Lage direkt vor Ort. Sie weiß, dass sich die Grenze im Vergleich zu 2018 völlig verändert hat. »Es ist nicht dieselbe Grenze wie damals. Seinerzeit fanden sämtliche Aktivitäten der Hisbollah verdeckt statt und waren meist als zivile Aktionen getarnt. Heute aber geschieht alles im Offenen. Wohin man jenseits der Grenze auch schaut, man sieht die Hisbollah. Sie tragen Uniformen und dazu Masken, damit wir sie nicht identifizieren können. Sie machen Fotos von mir, wenn ich an der Grenze bin.«

militärreserven Die Hisbollah habe in einem mehrjährigen Projekt ihre Militärreserven aus bewaldeten Gebieten mitten in die Ortschaften des Südlibanon verlegt, analysiert Zehavi. Jede Gemeinde sei mittlerweile wie ein eigenes militärisches Gelände, auf dem es auch noch zivile Aktivitäten gebe. »Sie haben dort alles, was eine Armee ausmacht, außer Panzern oder Flugzeugen. Und die Kommandanten, die in Syrien im Kampf bestens ausgebildet wurden, stehen jetzt direkt an unserer Grenze.«

Diese Änderungen im Einsatz der Hisbollah führten zu viel mehr Provokation an der Grenze, urteilt sie. »Letztes Pessach feuerte die Hisbollah 36 Raketen auf Israel ab, ein Terrorist drang bis an die Megiddo-Kreuzung ins Land ein.« Zehavi ist überzeugt, dass die Hisbollah »tut, was sie tut«, weil der Iran in der Region erfolgreich sei.

»Und das ermutigt die Hisbollah an unserer Grenze – ohne dafür einen Preis zu zahlen.« Ihrer Meinung nach sollte von Israel aus eine klare Botschaft an die Terrororganisation gesandt werden. »Auf keinen Fall darf die Blaue Linie überschritten werden. Denn wenn das einmal geschieht, wird es immer wieder geschehen.«

gesellschaft Zehavi führt aus, dass es keinen souveränen Staat Libanon gebe. »Die Hisbollah ist in jeden Aspekt des Landes involviert, sie steckt in der libanesischen Regierung, dem Parlament, sie ist in der Gesellschaft verwurzelt, dem Finanz-, Bildungs- und Gesundheitssystem, den Sicherheitsdiensten und allen anderen Bereichen auch.«

Sie wisse nicht, ob sich Israel und die Hisbollah in Richtung Krieg bewegten, so Zehavi. »Aber was ich weiß, ist, dass das Potenzial, in einen Krieg verwickelt zu werden, größer ist als noch vor zwei Jahren. Und in den vergangenen Monaten hat sich dieses Potenzial noch weiter erhöht.«

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