27. Januar

Gedenken im Bundestag

Gedenkstunde im Bundestag Foto: dpa

In bewegenden Reden haben Angehörige von Opfern der NS-»Euthanasie» dazu aufgerufen, stärker an die von den Nazis ermordeten Kranken und Behinderten zu erinnern. Es sei «vielleicht ein historisches Ereignis» und ein «Akt später Gerechtigkeit», dass der Bundestag die Erinnerung an diese Opfergruppe in diesem Jahr in den Mittelpunkt seiner Gedenkstunde gestellt habe, sagte Sigrid Falkenstein am Freitag während des Gedenkens im Parlament in Berlin.

Die Opfer von «Euthanasie» und Zwangssterilisation seien lange vom öffentlichen Gedenken ausgeschlossen gewesen. Eine Gleichstellung mit anderen Opfergruppen werde ihnen bis heute versagt, beklagte Falkenstein.

Mordopfer Falkensteins Tante Anna Lehnkering, bei der eine Lernbehinderung diagnostiziert worden war, ermordeten die Nationalsozialisten 1940 in einer Tötungsanstalt. Ihre Nichte stieß nach eigenen Worten 2003 zufällig auf den Namen ihrer Tante auf einer Mordopfer-Liste.

Falkenstein befragte ihre Familie daraufhin nach dem Schicksal der Frau. «Bis 2003 sprach niemand in unserer Familie über Anna», sagte Falkenstein. Dieses scheinbare Vergessen habe sie fassungslos gemacht. Anna Lehnkering sei unvorstellbares Unrecht widerfahren und das Schweigen darüber sei Teil davon. Daher müsse immer wieder an die Opfer erinnert werden, mahnte Falkenstein und zitierte am Schluss ihrer Rede den 2016 gestorbenen Auschwitz-Überlebenden Max Mannheimer: «Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah, aber dafür, dass es nicht wieder geschieht, schon.»

Neben Falkenstein erinnerte Hartmut Traub an seinen Onkel Benjamin Traub, der wegen einer psychischen Erkrankung in der Tötungsanstalt Hadamar umgebracht wurde. Hartmut Traub arbeitete die Leidensgeschichte seines Onkels auf. Eindringlich schilderte er in seiner Rede die grausame Ideologie der Nazis, in der Kranke und Behinderte diskreditiert wurden. «Man nannte sie, ›Ballastexistenzen‹, ›lebensunwertes Leben‹», sagte er. Benjamin Traub wurde 1941 in einer als Dusche getarnten Gaskammer in Hadamar ermordet.

Kritik Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisierte in seiner Ansprache, dass die Aufarbeitung dieser Morde an Kranken und Behinderten lange Zeit nicht stattgefunden habe und forderte dazu auf, sich mit dem Schicksal der Opfer zu befassen. «Erst Einzelschicksale lassen erkennen, was unschuldigen Menschen angetan wurde», sagte Lammert.

Der Parlamentspräsident erinnerte an die Wannseekonferenz, auf der «mit unfassbarer Menschenverachtung» die Organisation des dann folgenden Massenmordes beraten worden sei. Das Töten mit Gas sei zuerst an den Opfern der «Euthanasie» erprobt worden, sagte Lammert.

Zwischen dem Völkermord an den Juden und diesem Massenmord gebe es somit einen engen Zusammenhang. Die Forschung geht derzeit davon aus, dass mindestens 300.000 Menschen während der NS-Zeit im Rahmen der «Euthanasie»-Programme ermordet wurden.

Ein Aufbegehren gegen die systematische Tötung der als «lebensunwert» verunglimpften Kranken und Beeinträchtigten habe es wenig gegeben, sagte Lammert. Viele hätten sich damals uneingestanden zum Komplizen dieser Verbrechen gemacht. Die «Euthanasie» hätte den hippokratischen Eid, der Ärzte zur Hilfe und Erhaltung von Leben verpflichtet, pervertiert, sagte Lammert. Man frage sich, was hätte verhindert werden können, «wenn mehr Menschen aufbegehrt und zu ihren ethischen Prinzipien gestanden hätten», sagte er. epd

Schleswig-Holstein

Drastischer Anstieg bei antisemitischen Vorfällen im Norden

Der Landesbeauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, verwies auf den Krieg in Gaza

 15.05.2025

Berlin

Friedrich Merz: Deutschland muss Schutzraum für Juden sein

Auch bekräftigt der neue Kanzler: »Wir stehen unverbrüchlich an der Seite Israels.«

 15.05.2025

Jerusalem

»Der Papst hat Lust auf Dialog«

Abt Nikodemus Schnabel über die Wahl von Leo XIV., das jüdisch-christliche Gespräch und Hoffnung auf Frieden in Nahost

von Michael Thaidigsmann  15.05.2025

Berlin

Merz bekräftigt: Regierungschef Israels muss Deutschland besuchen können

»Er ist ein demokratisch gewählter Ministerpräsident der einzigen Demokratie der gesamten Regionen«, betont der Kanzler

 14.05.2025

Washington D.C./Cambridge

Regierung erhöht finanziellen Druck auf Harvard

Präsident Trump geht gegen mehrere Universitäten vor. Er wirft ihnen vor, nicht genug gegen Antisemitismus zu tun. Eine Elite-Uni steht besonders im Fokus

 14.05.2025

Meinung

Jude gesucht für Strafantrag

Dass Staatsanwaltschaften selbst bei judenfeindlichen Hasskommentaren untätig bleiben, ist symptomatisch für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

von Alon David  14.05.2025

Berlin

»Nakba-Tag«: Polizei verbietet Protestzug, Kundgebung darf stattfinden

Die Organisatoren der »ortsfesten« Versammlung, die stattfinden darf, wollen an »77 Jahre des Widerstands«, also des arabisch-palästinensischen Terrors, erinnern und gegen »Repressionen« der deutschen Behörden protestieren

 14.05.2025

Madrid

Sánchez beschuldigt Israel, einen Völkermord zu begehen

»Wir machen keine Geschäfte mit einem genozidalen Staat«, sagte der spanische Regierungschef im Kongress. Im Bundestag wurde hingegen ein solcher Vorwurf als unangebracht gerügt

von Michael Thadigsmann  14.05.2025

Berlin

Viele Freunde

Vor 60 Jahren nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Das wurde gefeiert

von Katrin Richter  14.05.2025