Hannover

»Extrem einseitiges Bild«

In der Kritik: die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim Foto: dpa

Sowohl in der Konzeption als auch in der Durchführung des Seminars »Soziale Lage der Jugendlichen in Palästina« der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim sind gravierende wissenschaftliche Mängel festzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt das Gutachten des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung, das Professorin Stefanie Schüler-Springorum gemeinsam mit Niedersachsens Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic am Montag in Hannover vorgestellt hat.

In dem Gutachten wird dargelegt, dass das Seminar bereits konzeptuell entscheidende Mängel aufweist, wissenschaftlichen Standards nicht entspricht und ein extrem einseitiges Bild vermittelt. Die verwendeten Lehrmaterialien werden als israelkritisch bis -feindlich bewertet. Einige Texte würden mit antisemitischen Klischees arbeiten oder die Legitimation des Staates Israel infrage stellen. Ein textkritischer Umgang sei nicht erfolgt.

konsequenzen Ministerin Heinen-Kljajic stellte klar: »Es ist Aufgabe jeder Hochschule, sich mit Antisemitismus kritisch auseinanderzusetzen. Umso wichtiger ist es, aus diesem Fall für die zukünftige Gestaltung von Lehrangeboten Konsequenzen zu ziehen.« Dafür leiste dieses Gutachten eine wichtige Hilfestellung.

In einer schriftlichen Stellungnahme bedauert die Hildesheimer Hochschulleitung, dass eine solche Lehrveranstaltung über mehr als zehn Jahre an der Hochschule stattfinden konnte: »Dafür möchte sich die Hochschulleitung erneut ausdrücklich und aufrichtig entschuldigen.« Es würden umgehend die erforderlichen Konsequenzen aus dem Gutachten gezogen und dies eng mit dem Wissenschaftsministerium abgestimmt.

kritik Das inzwischen abgesetzte Seminar hatte massive Kritik ausgelöst. Ein Jahrzehnt lang wurden von der Lehrbeauftragten Ibtissam Köhler Studenten mit Unterrichtsmaterial versorgt, das gespickt war mit antisemitischen Texten. Und obwohl schon früher immer wieder – auch von Studenten – Kritik geübt wurde, duldete die HAWK-Leitung diese Lehrveranstaltung. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte sich eingeschaltet. In einem Schreiben an Ministerin Heinen-Kljajic bat er darum, dass »ein derartiges Seminar nicht mehr in Ihrem Zuständigkeitsbereich angeboten wird«.

Wie berichtet, hatte zum Schluss sogar der Senat der Hochschule Präsidentin Christiane Dienel das Vertrauen entzogen. Nach monatelanger Auseinandersetzung glaubte selbst das Gremium nicht mehr daran, dass Dienel die Krise managen könne. Man sei »der Überzeugung, dass die dadurch entstandenen Verwerfungen nicht mehr von der amtierenden Präsidentin behoben werden können«. Im Mai hatte die Kommission eine Verlängerung des Vertrags noch befürwortet. ja

Weitere Artikel zum Thema:

www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26928
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26356

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025

Gedenken

Bundespräsident Steinmeier fordert Widerstand gegen Rechtsextreme

Die Demokratie sieht der Bundespräsident so bedroht wie nie seit der Wiedervereinigung. Das Staatsoberhaupt erklärt, was nun aus seiner Sicht passieren muss

von Martina Herzog  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025

Berlin

»Besetzung gegen Antisemitismus« an TU Berlin

Nach pro-palästinensischen Universitätsbesetzungen in der Vergangenheit haben nun Studierende ein Gebäude an der TU Berlin besetzt, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Sie machen dem Allgemeinen Studierendenausschuss Vorwürfe

 10.11.2025

Antisemitismus

Rabbinatsstudent am Berliner Hauptbahnhof beschimpft

Der angehende Rabbiner aus Deutschland war am 9. November auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Novemberpogrome. Sein Urgroßvater hat die Schoa überlebt

 10.11.2025