Berlin

»Es braucht immer klare Antworten gegen Antisemitismus«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: imago images / epd

Die vorgesehene Ausweisung von vier Studenten, die laut Landesamt für Einwanderung »Mitglieder einer gewaltbereiten Gruppe der propalästinensischen Szene« sind, wird viel diskutiert. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen äußerten Vertreter jüdischer Organisationen und Antisemitismus-Experten Zustimmung zu der Maßnahme.

»Es braucht immer klare Antworten gegen Antisemitismus und Israelhass, vor allem dann, wenn es zu gewalttätigen Übergriffen kommt«, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Jüdischen Allgemeinen.

»Die Brutalität, mit der bei der bewaffneten Besetzung der FU vorgegangen wurde, war erschreckend und hat bis heute vor allem das Sicherheitsgefühl jüdischer Studierender nachhaltig erschüttert. Es braucht sicher auch eine Verhältnismäßigkeit, aber es sollte nicht vergessen werden, dass jüdische Studierende und Lehrkräfte die Leidtragenden dieser Aktionen sind, um die es gerade geht.«

»Vollumfängliche Nutzung«

Der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, Samuel Salzborn, erklärte: »Wie auch bei Verboten von Versammlungen geht es hier offenbar um eine extrem hohe Eskalation. Versammlungen werden nicht leichtfertig verboten, sondern erst dann, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Und so würde ich auch den Blick auf die potenzielle Ausweisung empfehlen.«

»Es scheint ein extrem hohes Maß an Eskalation vorzuliegen - und wenn dann entsprechende Optionen bestehen, sehe ich keinen Grund, warum sie seitens unserer Innenverwaltung nicht vollumfänglich genutzt werden sollten«, so Salzborn. »Die Instrumente, die sich dem demokratischen Rechtsstaat gegen Antisemitismus bieten, sollte er auch nutzen.«

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»Maßnahmen ungewöhnlich energisch«

Für die NGO Werteinitiative äußerte sich deren Vorsitzender Elio Adler ähnlich: »Die Ausweisungen erfolgen unter ganz normalen, deutschen, rechtsstaatlichen Normen. Das nennt man wehrhafte Demokratie. Warum sollen sich Leute, die mit Äxten und Kreissägen drohen, Unis zu zerstören und andere drangsalieren bei uns aufhalten dürfen?«

»Die Situation ist angespannt wie selten zuvor und entsprechend sind die Maßnahmen auch ungewöhnlich energisch. Ob es in der Vergangenheit bereits ähnliche Fälle gab, weiß ich nicht«, fügte Adler hinzu. »Aber wenn sich wiederholt Gewaltbereite – egal welcher Couleur – Raum greifen und sie keine deutschen Bürger sind, sollte klar sein, dass sie ihr Gastrecht verwirkt haben. Mit entsprechenden Folgen.«

Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, teilte dieser Publikation mit: »Gefahren für den Schutz der Menschenwürde, die freiheitlich demokratische Grundordnung und den Schutz der Menschenwürde muss die wehrhafte Demokratie beherzt entgegentreten und rote Linien aufzeigen.«

»Schwere Gefährdung«

»Antisemitische Gewalttaten sind ein Angriff auf den Schutz der Menschenwürde und die freiheitlich-demokratische Grundordnung«, betonte Beck. »Sie stellen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der Sicherheit unseres Landes dar.«

Die Gefahr, die von der Israelhass-Szene ausgeht, darf laut Volker Beck nicht unterschätzt werden: »Terroristische Taten werden dort gebilligt und verherrlicht. Und es findet eine gefährliche Radikalisierung statt. Ich bin dafür, dass der gesetzlich gegebene Spielraum in solchen Fällen voll ausgeschöpft wird.«

Remko Leemhuis, der Direktor des AJC Berlin, erklärte: »Wenn eine Ausweisung dieser Personen rechtlich geboten ist, dann sollten die Ausweisung und der Verlust der Freizügigkeit im Falle der EU-Bürger auch erfolgen. Gerichte haben nun, wie in einem Rechtsstaat üblich, zu prüfen, ob das der Fall ist.«

»Antisemitische Umtriebe«

Es sei wichtig zu betonen, »dass es sich bei den Vorwürfen bezüglich der betroffenen Personen um schwere Straftaten und nicht, wie oftmals in der öffentlichen Debatte dargestellt, um politische Meinungsäußerungen handelt. Auch uns wäre es lieber, wenn solche tatsächlich drastischen Maßnahmen nicht ergriffen werden müssten.«

»Wenn Gerichte aber zu dem Schluss kommen, dass die genannten Personen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, begrüßen wir die Ausweisung ausdrücklich«, betonte Leemhuis. Generell müsse der Rechtsstaat hinsichtlich antisemitischer Straftaten seine Kompetenzen voll ausschöpfen. »Auch die Hochschulleitungen müssen endlich entschieden handeln, antisemitische Umtriebe unterbinden und konsequent gegen diese vorgehen.«

Gegenüber der »Welt« äußerte sich Ron Dekel, der neue Präsident der Jüdischen Studierendenunion (JSUD): »Die Stürmung von Universitäten und der Vandalismus auf dem Campus sind keine Kavaliersdelikte. Wer mit Äxten und Brecheisen Universitäten angreift, gefährdet die Wissenschaftsfreiheit und das Sicherheitsgefühl aller Studierenden.«

Mord, Vergewaltigung und Verschleppung

Ziel der Täterinnen und Täter sei es, Menschen mit abweichenden Meinungen einzuschüchtern und sie dadurch von den Universitäten zu verdrängen, so Dekel. Maßnahmen, die »im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und einer wehrhaften Demokratie ergriffen werden« würden von der JSUD begrüßt. »Alle Studierenden, insbesondere an deutschen und besonders Berliner Universitäten, müssen sich wieder sicher fühlen können.«

Der Berliner Anwalt Nathan Gelbart sagte auf Anfrage, die Freizügigkeit der Wohnsitznahme für EU-Bürger innerhalb der Europäischen Union sei eine große Errungenschaft. Sie spiegele die gegenseitige Absicht aller Mitgliedsstaaten wieder, hierdurch insbesondere dem Prinzip der Völkerverständigung und Freundschaft gerecht zu werden.

»Wer dieses Privileg hingegen dazu missbraucht, um gegen Juden zu hetzen und den akademischen Frieden an unseren Hochschulen zu stören sowie Terroristen zu huldigen, die ein seit 1945 nicht dagewesenes Massaker an Juden begangen haben, hat dieses Privileg der Freizügigkeit verwirkt«, erklärte Gelbart.

»Wer Terroristen, Mord, Vergewaltigung und Verschleppung aktivistisch unterstützt, macht auch nicht von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. (...) Wer seine Meinung mit Äxten, Sägen, Brecheisen, Knüppeln zum Ausdruck bringen will, soll das an Hochschulen in seinem Heimatland weiterversuchen. Die Entscheidung der Senatsinnenverwaltung ist angemessen, verhältnismäßig und überfällig.«

Gelbart betonte: »Es waren vor allem die Universitätsleitungen der beiden Berliner Universitäten HU und FU, die mit ihrer unerträglichen Untätigkeit und makabrer Toleranz diesen Schritt provoziert haben. Diese ›Studenten‹ hätten längst exmatrikuliert worden sein müssen. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik wäre dann faktisch längst beendet gewesen.« im

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