Frankfurt am Main

Erster Auschwitz-Prozess endete vor 60 Jahren

Eröffnungstag des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt, 20. Dezember 1963 Foto: picture alliance / AP Images

Der erste Auschwitz-Prozess, dem sich fünf Folgeprozesse anschlossen, steht in einer Reihe mit anderen großen Prozessen zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen: Den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, die 1945 begannen, und dem Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961. Der erste Auschwitz-Prozess fand vor 60 Jahren, am 20. August 1965, seinen Abschluss.

Die Hauptverhandlung des ersten Verfahrens begann am 20. Dezember 1963. Auf der Anklagebank saßen 22 Männer, die Anklageschrift umfasste 698 Seiten. 357 Zeugen, darunter 211 Auschwitz-Überlebende, schilderten an 183 Verhandlungstagen die Gräueltaten in dem Vernichtungslager. Sie berichteten von den Selektionen an der Rampe, den Gaskammern, von Folter, Erschießungen und der Ermordung von Häftlingen durch Injektionen ins Herz. Nach heutigem Forschungsstand wurden in Auschwitz rund 1,1 Millionen Menschen getötet.

Im Frankfurter Auschwitz-Prozess erklärten sich fast alle Angeklagten für unschuldig und verharmlosten ihre Taten. Der Hauptangeklagte Robert Mulka, Adjutant des Lagerkommandanten und beteiligt am Bau der Gaskammern, sagte: »Ich persönlich habe von Exekutionen im Lager nichts gehört, nichts gemeldet, nichts befohlen.« Einzig Hans Stark, Leiter der Häftlingsaufnahme in Auschwitz, zeigte Reue. »Heute weiß ich, dass die Ideen, an die ich geglaubt habe, falsch sind«, sagte er in seinem Schlusswort. »Ich bedaure meinen damaligen Irrweg sehr, aber ich kann ihn nicht ungeschehen machen.«

Die Staatsanwaltschaft beantragte für alle Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Verurteilt zu lebenslang wurden aber nur sechs der Angeklagten, elf erhielten Freiheitsstrafen zwischen dreieinviertel und vierzehn Jahren. Drei wurden freigesprochen, zwei waren aufgrund von Krankheit ausgeschieden, einer schon vor Prozessbeginn gestorben.

Dass es überhaupt zu dem ersten großen Prozess der deutschen Justiz gegen Naziverbrecher kam, ist der Beharrlichkeit des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903-1968) zu verdanken.

Er hatte eine Liste mit rund 100 Täter-Namen von einem Journalisten der »Frankfurter Rundschau« bekommen und ließ damit die Zuständigkeit des Frankfurter Landgerichts durch den Bundesgerichtshof herbeiführen. Davon waren weder der Präsident des Frankfurter Landgerichts noch der Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft begeistert, wie der ehemalige, mit dem Prozess befasste Staatsanwalt Gerhard Wiese sich erinnerte.

Die größte Herausforderung für die Organisation des Verfahrens war nach Erinnerung von Wiese, dass Dokumente fehlten, die eine Schuld klar belegten. »Teilweise hat die SS sie vernichtet, teilweise hatten die Russen sie mitgenommen«, sagte er. Die Sowjets hätten nicht mit den Frankfurter Ermittlern kooperiert, Zeugen aus der DDR keine Ausreisegenehmigung für ihre Aussage vor Gericht bekommen. epd

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Ostdeutschland

AfD-Regierung als »Schreckensszenario«

Zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wächst in den jüdischen Gemeinden die Sorge vor einem Sieg der AfD

von Joshua Schultheis  06.11.2025

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  06.11.2025

Karlsruhe/Aarhus

Erneut Festnahme wegen mutmaßlicher Terrorpläne gegen jüdische Ziele

In Dänemark wurde ein Afghane festgenommen, der nach Erkenntnissen des deutschen Generalbundesanwalts Waffen und Sprengstoff für Anschläge auf Einrichtungen in Deutschland beschaffen sollte

 06.11.2025

Hanau

Hakenkreuze aus Menschenblut auf Autos geschmiert

Schauerliche Entdeckung im Hanauer Stadtteil Lamboy: Das Nazi-Symbol wurde auf Autos, Briefkästen und Hauswänden entdeckt. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Hinweise

 06.11.2025

Berlin

Untersuchungsausschuss zu Fördergeld-Vergabe steht an

Wurde Förderung für Projekte gegen Antisemitismus nach politischen Wünschen der Berliner CDU vergeben? Grüne und Linke wollen die Vergabe durch Kultursenatoren nun genau durchleuchten

 06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025