Gaza

Erdogan Superstar

Sein Geschäft heißt »Chairman Arafat Shop«. Es liegt an der Hauptverkehrsader von Gaza-City. Und Tarek Abu Dayyeh, der stolze Inhaber, verkauft dort alles, was Besucher des Küstenstreifens an Souvenirs mit nach Hause nehmen möchten.

Dermaßen viele Topjournalisten wie der 35-Jährige dürfte kaum ein Souvenirhändler auf der Welt zu seinen Kunden zählen: Reporter von der ARD, BBC, CNN, dpa, FAZ – sie alle haben bei Abu Dayyeh ihre Visitenkarten hinterlassen. Er zeigt sie fast ehrfürchtig.

kaffeetasse Wer ein Stück von Gaza nach Hause mitnehmen will, findet bei Abu Dayyeh bestimmt etwas: einen überdimensionierten Schlüssel aus Olivenholz, der an die palästinensische Vertreibung erinnern soll. Oder ein grünes Stirnband: »Das tragen unsere Märtyrer, die Selbstmordattentäter.« Oder Kaffeetassen: »I love Gaza« steht auf einer, »Grüße aus dem größten Gefängnis der Erde« auf einer anderen.

Besonders stolz ist der junge Ladeninhaber auf ein Poster, das ihn mit Yassir Arafat zeigt. Tarek Abu Dayyeh war Teenager, als der Palästinenserchef in den Laden kam. Schließlich gab es hier wie nirgends sonst so viele Insignien palästinensischer Staatswerdung. Renner waren damals vor allem Fahnen: palästinensische, auf die man stolz war, oder israelische und amerikanische, die man bei Demonstrationen verbrennen konnte.

saddam An Abu Dayyehs Sortiment lässt sich die palästinensische Zeitgeschichte nacherzählen: Während des zweiten Golfkriegs machte er Geld mit Porträts von Saddam Hussein. Zu Beginn der Zweiten Intifada waren UN-Fahnen Bestseller, denn damit wurden öffentliche Gebäude als »neutral« gekennzeichnet – die Käufer hofften, so israelischen Vergeltungsangriffen zu entgehen.

Als sich die israelischen Siedler und Truppen vor fünf Jahren aus dem Gazastreifen zurückgezogen hatten, waren auf einmal T-Shirts mit der Aufschrift »Free Gaza« in. Kurze Zeit später waren dänische Fahnen sehr gefragt, die bei Protesten verbrannt wurden – eine dänische Zeitung hatte kurz zuvor Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Vor einem Jahr begann Abu Dayyeh erfolgreich, jede Menge Poster mit dem Bild des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah zu verkaufen.

Derzeit ist alles angesagt, was mit der Türkei zusammenhängt. Eine rote Flagge mit dem Mondstern prangt am Ladeneingang, gleichberechtigt mit der palästinensischen Fahne. Und im Ladeninnern dominiert ein Poster mit dem neuen Helden der Palästinenser, dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan. Sein Bild hängt sogar höher als das von Arafat.

flagge Vergebens sucht man allerdings in Abu Dayyehs Laden nach einem Porträt des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, dessen Fatah von der Hamas durch einen blutigen Putsch vertrieben wurde. »Die Hamas hat uns aufgefordert, sein Bild herunterzunehmen«, sagt Abu Dayyeh zur Begründung und meint lakonisch: »Der Kunde hat immer recht.« Doch ganz kann sich die Hamas im Kitschladen nicht durchsetzen. Denn ihr grüner Wimpel steht so unbekümmert neben der gelben Flagge der Fatah, als ob es nie eine Feindschaft zwischen den beiden gegeben hätte.

In all den Wirren palästinensischer Geschichte pflegt die Familie Abu Dayyeh stets gute Beziehungen zu den jeweiligen Machthabern. Aber ganz wohl ist es Abu Dayyeh offenbar nicht, dass er sich mit der Hamas, der neuen Macht in Gaza, arrangiert hat. »Wenn Arafat noch leben würde, wäre der Putsch nicht passiert«, meint er nachdenklich.

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025