Meinung

Entschlossen gegen Extremismus

Stephan J. Kramer Foto: dpa

Wie skandalös ging – oder geht – es beim Verfassungsschutz zu? Diese Frage drängt sich ein Jahr nach der Aufdeckung der Nazi-Terrorzelle NSU mit neuer Schärfe auf. Neue beziehungsweise jetzt bekannt gewordene Vorwürfe an die Adresse des deutschen Inlandsnachrichtendienstes zeichnen ein erschreckendes Bild der Inkompetenz. V-Leute, die unter dem Schutz der Verfassungsschützer ein eigenes Süppchen kochen. Terroristen, die von Agenten umstellt sind und dennoch ungehindert morden können. Systemisches Versagen der internen Kommunikation und der Kooperation mit der Polizei.

Da sind Forderungen nach einer Reform des Verfassungsschutzes, vielleicht auch des gesamten nachrichtendienstlichen Apparats, sicher angebracht. Indessen sind hier nicht nur die Schlapphüte selbst, sondern auch ihre Dienstherren – will heißen, die Politik – sowie die Gesellschaft als Ganzes gefordert.

verfassungsfeindlich Das gilt nicht nur für den rechtsextremistischen Terrorismus, sondern für alle Arten, Unterarten und Unarten verfassungsfeindlicher Tätigkeit. In einer komplexen Umgebung, in der Extremisten und Gewalttäter auf lokaler, nationaler und globaler Ebene agieren, mithilfe moderner Technologie vernetzt sind und aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen kommen, muss sich der Staat gekonnt, präzise, technologisch versiert, in vollem Bewusstsein der ihm drohenden Gefahren – vor allem aber entschlossen – verteidigen.

Und just an dieser Entschlossenheit fehlt es bisher. Kritiker, die hinter einer wehrhaften Demokratie den Polizeistaat oder eine Absage an die Toleranz wittern, stehen auf der falschen Seite der Barrikade. Der Schutz der Demokratie, der Freiheit und des menschlichen Lebens ist mit der Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Antidemokratisch ist es, Extremisten unter fadenscheinigen Vorwänden gewähren zu lassen.

demokratie An der dringenden Notwendigkeit, die Erziehung zu Respekt, Toleranz und Demokratie umfassend zu stärken, ändert sich dadurch nichts, doch ist das nicht genug. Und bewegende Gedenkfeiern für Terroropfer beruhigen zwar das kollektive Gewissen, sind aber erst recht keine ausreichende Antwort auf die Gefahr.

Natürlich hat die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, die aus verschiedenen Richtungen angefeindet wird, ein Interesse daran, dass Minderheiten in diesem Land angemessen beschützt werden. Es geht aber nicht nur um den Schutz der einen oder anderen Bevölkerungsgruppe. Im Visier der Extremisten stehen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit die deutsche Gesellschaft als Ganzes. Es ist höchste Zeit, das nicht nur zu begreifen, sondern auch danach zu handeln.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Arlington (Virginia)

USA genehmigen Milliardenauftrag: Neue F-15-Kampfjets für Israel

Der Vertrag umfasst die Entwicklung, Integration, Erprobung, Produktion und Lieferung von zunächst 25 neuen Maschinen

 30.12.2025

Terror

Warum?

Die nichtjüdische Deutsche Carolin Bohl wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas brutal ermordet. Hier nimmt ihre Mutter Abschied von der geliebten Tochter

von Sonja Bohl-Dencker  30.12.2025

Einspruch

Solidarität mit Somaliland

Sabine Brandes findet Israels Anerkennung der Demokratie am Horn von Afrika nicht nur verblüffend, sondern erfrischend

von Sabine Brandes  30.12.2025

Meinung

Für mich ist es Nowy God – und warum ich ihn feiere

Das Neujahrsfest hat mit dem Judentum eigentlich nichts zu tun. Trotzdem habe ich warme Erinnerungen an diesen Feiertag

von Jan Feldmann  30.12.2025

London

Vorwurf gegen Facebook: Beiträge feiern Mord an Juden und bleiben online

»Die Beiträge, die den Anschlag von Bondi feiern, sind schlicht widerwärtig«, sagt Dave Rich von der jüdischen Organisation CST in England

 30.12.2025

Berlin

Tagung »Digitale Horizonte«: Wie sich Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter wandelt

Wie verändert die Digitalisierung das kollektive Erinnern? Welche Chancen eröffnen neue Technologien – und wo liegen ihre Grenzen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Konferenz

 30.12.2025

Deutschland

Shahak Shapira »superverbittert« über Antisemitismus

Shahak Shapira spricht offen über seinen Frust angesichts von Antisemitismus in Deutschland – und wie er mit politischer Comedy darauf reagiert

 29.12.2025

Analyse

Warum die Anerkennung Somalilands so viel Aufsehen erregt

Das kleine Land am Horn von Afrika hat plötzlich eine große geopolitische Bedeutung. Dafür gibt es gute Gründe

von Ralf Balke  29.12.2025

Kommentar

Wer Glaubenssymbole angreift, will Gläubige angreifen

Egal ob abgerissene Mesusot, beschmierte Moscheen oder verwüstete Kirchen: Politik und Religion werden zurzeit wieder zu einem hochexplosiven Gemisch. Dabei sollte man beides streng trennen

 29.12.2025