Interview

»Einige Juden wählen Le Pen«

Herr Prasquier, am Sonntag wählt Frankreich einen neuen Präsidenten. Wird sich der Terroranschlag von Toulouse auf das Wahlverhalten der jüdischen Gemeinschaft auswirken?
Das glaube ich nicht, aber es ist schwer zu sagen. Das Attentat hat großes Leid über die jüdische Gemeinschaft gebracht. Es gab die Befürchtung, dass man den antisemitischen Aspekt des Terroranschlags unterschätzen würde.

Manche Beobachter glauben, der Anschlag könnte dem rechtsextremen Front National (FN) in die Hände spielen.
Ja, das ist befürchtet worden. Aber aktuelle Umfragen bestätigen dies nicht. Der FN wird zwar manchmal unterschätzt, aber derzeit lässt sich kein wirklicher Trend erkennen.

Vor Kurzem hat sich eine Gruppe namens »Union des Français Juifs« gegründet, um Marine Le Pen zu unterstützen. Wie attraktiv ist die Front-National-Chefin für jüdische Wähler?
Wir wissen nicht, wie viele Leute dieser Union angehören. Vielleicht sind es zwei, vielleicht drei. Sie sind nicht repräsentativ. Sicherlich werden einige Juden Marine Le Pen wählen. Aber ich hoffe, es sind wenige.

Welcher Kandidat ist aus Ihrer Sicht für jüdische Wähler der geeignetste?
Oh, ich werde mich davor hüten, eine Wahlempfehlung abzugeben! Allerdings rufe ich dazu auf, weder Front National noch die extreme Linke und auch nicht die Grünen zu wählen, denn die stehen beim Israel-Bashing an vorderster Front.

Was erwarten Sie vom neuen Präsidenten?
Er muss den Kampf gegen Antisemitismus fortsetzen und verstärken. Das schließt den sogenannten neuen Antisemitismus ein, der auf Hass gegen Israel basiert.

Das Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen in Frankreich gilt als äußerst schwierig. Was könnte der neue Präsident zur Verbesserung beitragen?
Er sollte sehr entschlossen sein und allen klarmachen, dass, wer in Frankreich lebt, sich an die Gesetze des Landes zu halten hat. Der neue Präsident sollte mit Strenge auf jegliche Erscheinung von Hass gegen Israel und gegen Juden reagieren. Was radikale Islamisten von sich geben, ist sehr gefährlich – nicht nur für Juden, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Viele Juden wollen Frankreich wegen des zunehmenden Antisemitismus verlassen und nach Israel auswandern. Bestärken Sie diese Menschen in ihrer Entscheidung?
Frankreich ist kein antisemitisches Land. Die Regierung tut alles, um Judenhass zu bekämpfen. Ich denke, es gibt einen Platz für uns in Frankreich. Wir sind eine starke und aktive Gemeinschaft. Ob die Zahl der Auswanderer in den nächsten Monaten zunehmen oder sinken wird, hängt entscheidend davon ab, wie die Regierung gegen antizionistische Umtriebe vorgeht.

Mit dem Präsidenten des CRIF, der jüdischen Dachorganisation Frankreichs, sprach Tobias Kühn.

Diplomatie

Bosnien: Diplomatischer Eklat um Nazi-Helm an deutschen UN-Vertreter

Vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Jetzt flammt die Debatte um die politischen Nachwehen von Neuem auf. Im Fokus eines skandalösen Angriffs steht ein deutscher UN-Politiker

 20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025