Rund zwei Monate vor der Europawahl warnt der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, vor einem Erstarken von Populisten. »In meinen Augen gibt es in vielen Ländern eine zunehmend gefährliche Gemengelage aus Nationalismus und Extremismus«, sagte Schuster am Mittwoch im Gespräch mit der »Heilbronner Stimme«.
Alle Bürger in der EU seien gefordert, für die Demokratie einzutreten. Die Debatte dürfe allerdings nicht allein den Politikern überlassen werden, sondern müsse zum Beispiel auch in Kirchen oder in Vereinen geführt werden.
RESSENTIMENTS Schuster begrüßte die Idee eines Paktes gegen Antisemitismus in Europa, wie ihn der CSU-Politiker Manfred Weber vorgeschlagen hatte. »Die antisemitischen Ressentiments waren nie weg, sondern schwelten in zahlreichen Staaten lange unter der Oberfläche«, sagte Schuster. »Nun stellen wir leider fest: Es wird wieder antisemitisch argumentiert und agiert.«
»Was man im Wahlkampf in Ungarn sieht, ist jenseits einer akzeptablen Grenze«, stellt Schuster fest.
Deutliche Kritik übte der Zentralratspräsident an der AfD. »Der AfD-Vorsitzende Gauland nennt die Nazi-Zeit einen Vogelschiss in der deutschen Geschichte, Björn Höcke fordert eine 180-Grad-Kehrtwende in der deutschen Erinnerungskultur. Hier wird die Grenze des Sagbaren bewusst verschoben, nach rechts«, so Schuster.
Und weiter: »Am Stammtisch könnte es heißen: Wenn die das schon sagen dürfen, dann wird doch wohl auch der Normalbürger nicht schweigen müssen. Und in den sozialen Netzwerken lassen sich dann solche sprachlichen Veränderungen blitzschnell an Millionen von Menschen verbreiten. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung für unser Gemeinwesen.«
»Die AfD verschiebt bewusst die Grenze des Sagbaren«, beklagt der Präsident des Zentralrats.
GRENZEN Zu anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa sagte Schuster: »Was man zum Beispiel im Wahlkampf in Ungarn sieht, ist jenseits einer akzeptablen Grenze. Hier wird ganz klar mit antisemitischen Stereotypen bewusst Politik gemacht. Es werden Vorurteile gegen Juden geschürt und bedient. Es ist ein weites Überschreiten einer roten Linie.«
Anlässlich der jüngsten Häufung von antisemitischen Vorfällen im Fußball sagte der Zentralratspräsident: »Ich hoffe, dass sich Klubs grundsätzlich klar gegen Antisemitismus und Rassismus positionieren. Auch auf die Gefahr hin, dass einige ihrer Fans nicht mehr ins Stadion kommen.«
Vom 23. bis 26. Mai wählen die EU-Bürger zum neunten Mal das Europäische Parlament.
Schuster fügte hinzu: »Es ist leider keine neue Erkenntnis, dass die Anhängerschaften einzelner Vereine von rechts unterwandert sind. Spieler werden aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe beleidigt.«
Vom 23. bis 26. Mai 2019 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum neunten Mal das Europäische Parlament. Die Bundesregierung hat als Wahltermin für die Europawahl in Deutschland den 26. Mai bestimmt. epd/ja