Interview

»Eine neue Bundesregierung sollte realistischer agieren«

Volker Beck ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Foto: Marco Limberg

Herr Beck, welche Rolle spielen Israel und der Nahostkonflikt im Bundestagswahlkampf?
Das Thema steht nicht im Mittelpunkt, was auch gut so ist. Wahlkampf mit antiisraelischem Populismus macht allein das Bündnis Sahra Wagenknecht. Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla forderte den Stop von Waffenlieferungen an Israel. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat klargemacht, dass er es beim bloßen Bekenntnis zur Staatsräson nicht belassen wolle, sondern Israel bei Waffenexporten jederzeit alles erhalten soll, was es zu seiner Selbstverteidigung benötige, und er eine Verhaftung des israelischen Premierministers für undenkbar hält. Mit dieser deutlichen Position setzte er sich von Diskussionen und Äußerungen aus der Regierungskoalition leicht ab. Aber auch die FDP will bei Waffenexporten Israel wie ein NATO-Land betrachten und SPD und Grüne betonen ebenfalls Israels Recht auf Selbstverteidigung.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) hat sieben »Prüfsteine« für die deutsche Nahostpolitik und den Kampf gegen Antisemitismus an die Parteien geschickt. Wie haben die darauf reagiert?
Gar nicht. Die Parteien setzen auf Wahl-O-Maten. Die Generalsekretäre von SPD, Grüne, FDP, Union und die Die Linke haben, so teilte man uns mit, verabredet, nur Wahlprüfsteine von einigen wenigen vorab gemeinsam vereinbarten Monopol-Verbänden und Organisationen zu beantworten. Viele Themen sind auf dieser Generals-Liste doppelt und dreifach besetzt. Trotz allen »We Remember«-Sharepics und Staatsräson-Beteuerungen findet sich keine Organisation darauf, die den Kampf gegen Antisemitismus und die Sicherheit des jüdischen Staates auf dem Zettel hat. Dafür erfährt man über die Wahlprüfsteine des Hanfverbandes, wie die Parteien zum wahlentscheidenden Thema der verstärkten Förderung von Hanf in der deutschen Landwirtschaft stehen.

Man muss die humanitäre Hilfe für die Palästinenser auf neue Füße stellen und die Finanzierung des UNRWA beenden.

Sie fordern unter anderem eine Intensivierung der deutsch-israelischen Beziehungen. Welche Chancen sehen Sie dafür angesichts des andauernden Gaza-Krieges und der in Teilen extremistischen Regierung in Jerusalem?
Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel ist eine Verbindung von zwei Gesellschaften und von zwei Staaten, nicht von zwei Regierungen oder Koalitionen. Deshalb wäre der gemeinsame Auftritt von Deutschland und Israel auf der Frankfurter Buchmesse, der gerade vom Auswärtigen Amt abgesagt wurde, so wertvoll. Man könnte die diversen literarischen Welten beider Länder miteinander ins Gespräch bringen. Gleichzeitig könnte man den antisemitischen akademischen und kulturellen Boykott von BDS ein Schnippchen schlagen. Mit unseren bescheidenen Mitteln können wir die Absage dieses Auftritts nicht kompensieren.

Eine weitere Forderung ist die nach einer härteren Gangart gegen das iranische Mullah-Regime. Gibt es dort nicht bereits ein Umdenken in der deutschen Politik seit Beginn des Gaza-Krieges?
Die robusteste Reaktion der deutschen Außenpolitik war bisher die Schließung der iranischen Konsulate als Reaktion auf die Ermordung Jamshid Shardmadhs. Die fortgesetzten iranischen Angriffe auf Israel durch den Iran und seiner Hisbollah-Terrormiliz wurden bisher nicht angemessen beantwortet. Die Union hat in der Opposition der Berliner »Vorstellung einer kooperativen Regierung in Teheran« klar widersprochen. Der Kardinalfehler des Nukleardeals, der den Iran wirtschaftlich stark gemacht hat, geht allerdings auf die Regierungszeit von Angela Merkel zurück. Ich hoffe, dass eine neue Bundesregierung illusionslos und realistischer agieren wird.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Aufgabe, vor die künftige Bundesregierung mit Blick auf Israel stehen wird?
Israels Sicherheit muss Top-Priorität werden in der Nahost-Politik. Man muss die humanitäre Hilfe für die Palästinenser auf neue Füße stellen und die Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks UNRWA beenden. Ansonsten braucht man das Wort Zwei-Staaten-Lösung gar nicht mehr im Munde führen. Man kann nicht indirekt Terror mitfinanzieren und dann glauben, es gäbe eine Chance für einen politischen Prozess. Und der antiisraelische Antisemitismus muss durch Bildung und Repression bekämpft werden. Da müssen auch Gesetzeslücken geschlossen werden. Das sind wir auch dem Schutz des öffentlichen Friedens und dem Schutz jüdischen Lebens hierzulande schuldig.

Mit dem Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sprach Joshua Schultheis.

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025