Einspruch

Distanziertes Gedenken

Deborah Hartmann Foto: Yoram Aschheim

Vor gut einer Woche wurde Wiens Innenstadt Zielscheibe eines Terroranschlags, bei dem vier Menschen getötet wurden. Kurz danach war wiederholt von einem »neuralgischen Punkt« als Ausgangspunkt des Attentats die Rede. Gemeint war der Wiener Stadttempel – jene Synagoge, die als einzige in Wien während des Novemberpogroms zwar verwüstet, aber nicht in Brand gesteckt worden war.

Neun Gehminuten entfernt liegt der Karl-Lueger-Platz, wo eine Statue nicht nur an den einstigen Wiener Bürgermeister erinnert, sondern auch einem bekennenden Antisemiten ein Denkmal setzt. Zu Recht fragte sich die erst kürzlich verstorbene Ruth Klüger, ob sich denn niemand für diese Ehrung schäme.

gegenwart Können Gedenkveranstaltungen rund um den 9. November allein in der Vergangenheit verweilen, ohne auf die Gegenwart antisemitischer Gewalt zu verweisen? Muss nicht auch danach gefragt werden, wie Jüdinnen und Juden dabei zumute ist, an einem Karl-Lueger-Platz und -Denkmal vorbeizulaufen? Und sollte sich die Mehrheitsgesellschaft nicht auch mit der Frage auseinandersetzen, weshalb Orte gegenwärtigen jüdischen Lebens als »neuralgische Punkte« wahrgenommen werden?

Kann solch ein Gedenken aus der Distanz das Erinnern vor Ort ersetzen?

In diesem Jahr fanden die meisten Gedenkveranstaltungen im virtuellen Raum statt. Kann solch ein Gedenken aus der Distanz das Erinnern vor Ort ersetzen? Ja und nein. Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann nicht nur aus vermeintlich sicherer Entfernung geschehen.

Zugleich bedeutet physische Teilnahme an sich wiederholenden Ritualen im Umkehrschluss nicht automatisch, mit dem Geschehenen auch tatsächlich in Beziehung zu treten. Wir sollten das Gedenken aus der Distanz als Chance verstehen, über unsere erinnerungskulturell eingeübte Praxis nachzudenken und zu reflektieren – die wohl beste Voraussetzung, dass die Ereignisse rund um das Novemberpogrom und ihre Resonanz mit unserer Gegenwart auch in Zukunft nicht in Vergessenheit geraten.

Die Autorin ist gebürtige Wienerin. Die Politikwissenschaftlerin leitet ab Dezember das Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin.

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

München

Bayern gibt NS-Raubkunst an Erben von Ernst Magnus zurück

Nach Jahrzehnten geht ein Renaissance-Gemälde an die Erben des jüdischen Bankiers. Warum die Entscheidung erst jetzt fiel und was das Bild mit NS-Verbrecher Hermann Göring zu tun hat

 12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Niedersachsen

Moscheen in Hannover mit »Israel«-Schriftzügen besprüht

Unbekannte haben »Israel«-Schriftzüge auf mehrere Moscheen in Hannover geschmiert. Niedersachsens Antisemitismus-Beauftragter und die jüdische Gemeinde reagieren entsetzt

 11.12.2025

Berlin

Erstmals Chanukka-Feier im Bundestag

Zur Feier werden unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein und Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann erwartet

 11.12.2025

Block-Prozess

Mutmaßlicher Entführer-Chef: Aussage gegen sicheres Geleit

Hat Christina Block den Auftrag erteilt, ihre Kinder aus Dänemark zu entführen? Der mutmaßliche Chef der Entführer äußert sich dazu als Zeuge vor Gericht

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von Janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025