Interview

»Die Stimmung ist gekippt«

Frau Berger, wie haben Sie als amerikanische Jüdin in Berlin den 11. September 2001 erlebt?
Wir hatten eine Veranstaltung im AJC-Büro mit der Literaturwissenschaftlerin Ernestine Schlant. Da rief jemand an und sagte: »Deidre, du musst sofort den Fernseher einschalten!« Wir haben zuerst nicht geglaubt, was wir da sahen. Es war so dramatisch, weil wir gerade über das Thema Holocaust gesprochen hatten. Unser spontaner Gedanke war, dass der Angriff antiamerikanisch und antijüdisch gemeint war.

Wie haben Sie die Stimmung in Deutschland damals wahrgenommen?
Die Solidarität mit den USA habe ich sehr stark gespürt. Es gab eine große Veranstaltung in Berlin mit dem neuen amerikanischen Botschafter und dem Bundespräsidenten. Da hatte ich das Gefühl, dass Deutschland wirklich zu den USA steht. Es wehte noch der Wind der alten Luftbrücken-Solidarität – diese ehrliche, spontane Reaktion der Berliner, nach dem Motto: Wir stehen an Amerikas Seite.

Wann ist die Stimmung gekippt?
Schon bald. Besonders stark wahrgenommen habe ich das bei Menschen, die jahrzehntelang in den transatlantischen Dialog eingebunden waren. Die Auseinandersetzung wurde schnell sehr persönlich. Es war ganz schwierig, überhaupt Diskussionen über die USA und den Kampf gegen Terrorismus zu führen. Ich habe mich gefragt: Was sind das für Freunde, wenn man in einer Krise nicht auf sie zählen kann? Der mal mehr, mal weniger unterschwellige Antiamerikanismus war so heftig, dass es nicht leicht war, überhaupt politische Arbeit zu machen.

Hat sich die Situation inzwischen entspannt, oder ist der Antiamerikanismus noch genauso verbreitet?
Er ist subtiler geworden. Der Obama-Faktor hat dabei geholfen, auch wenn sich Obamas Außenpolitik nicht so sehr von der seines Vorgängers unterscheidet. Aber insgesamt ist die Atmosphäre schwieriger geworden. Von Regierungsseite heißt es natürlich, die Beziehungen sind nach wie vor gut. Aber der öffentliche Diskurs ist eine andere Sache.

Steht auch die größere Distanz zu Israel damit im Zusammenhang?
Das würde ich weniger mit dem 11. September verbinden. Zum Teil gab es in Deutschland aber die Vorstellung, dass die Kriege in Afghanistan und Irak für Israel gekämpft wurden. Das hat Stereotype verstärkt, wonach die USA angeblich zu israelfreundlich sind.

Stellen Sie seitdem eine Zunahme des Antisemitismus fest?
Das dumpfe Gefühl, dass Israel irgendwie in den 11. September verwickelt ist, hat eine Welle von Antisemitismus losgetreten, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg in diesem Ausmaß unbekannt war. In jüdischen Einrichtungen musste das Sicherheitsniveau erhöht werden. Das ist zwar wieder etwas zurückgegan- gen, aber das Sicherheitsgefühl wird nie wieder so sein wie vor dem 11. September 2001.

Mit der Direktorin des American Jewish Committee in Berlin sprach Ingo Way.

Sport

Basketball zurück in Israel: Hamburger beginnen in Jerusalem

Israelische Basketball-Teams tragen ihre Heimspiele im Eurocup und in der Euroleague bald wieder im eigenen Land aus. Zum Auftakt kommt ein Team aus Deutschland

 28.11.2025

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 27.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Düsseldorf

Breite Mehrheit im Landtag wirbt für Holocaust-Zentrum in NRW

Große Mehrheit im NRW-Landtag: Fast alle Fraktionen werben für NRW als Standort eines vom Bund geplanten Holocaust-Bildungszentrums. Bayern und Sachsen sind ebenfalls im Rennen

von Andreas Otto  27.11.2025

Terrorismus

Berlin: Waffenkurier der Hamas wohnte in unmittelbarer Nähe zu mehreren jüdischen Einrichtungen

Im Auftrag der Terrororganisation Hamas sollen mehrere Männer jüdische und proisraelische Ziele unter anderem in der Hauptstadt ausgespäht und Waffen eingeschmuggelt haben. Nun berichten »Zeit« und »Welt« über die Hintergründe

 27.11.2025

Bildung

Im Land der Täter

Bis März soll die Entscheidung fallen, wo die Dependance der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland angesiedelt wird

von Michael Thaidigsmann  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025