Interview

»Die Stimme der Opfer sein«

Shelly Tal Meron Foto: Gregor Matthias Zielke

Interview

»Die Stimme der Opfer sein«

Shelly Tal Meron über sexualisierte Gewalt, den Kampf gegen das Vergessen und das nationale Trauma

von Nils Kottmann  22.02.2024 09:42 Uhr

Frau Meron, Sie reisen durch Europa, um Abgeordneten von den sexuellen Gewaltverbrechen der Hamas zu berichten. Was möchten Sie erreichen?
Viele Frauen, aber auch Männer, wurden vergewaltigt und ermordet. Sie können nicht mehr sprechen, und ich glaube, dass ich ihre Stimme sein muss. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um an den 7. Oktober zu erinnern und die Geiseln nach Hause zu bringen. Ich habe Angst, dass sie sterben, wenn wir nicht alles geben.

Sie haben auch ein Video mit expliziten Szenen dabei. Warum halten Sie das für nötig?
Wir benutzen dieses Material, um der Welt zu zeigen, was wirklich geschehen ist. Mein Ausschnitt zeigt nur fünf Minuten. Die Langfassung der israelischen Armee dauert 47 Minuten, und selbst die zeigt nur fünf Prozent des Materials, das wir sichern konnten. Ich selbst habe die Videos gesehen, weil ich gedacht habe, dass ich das tun muss, wenn ich die Stimme der Opfer sein will. Was ich gesehen habe, werde ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen.

Können Sie uns einen Einblick geben?
Es gibt ein Video, das eine junge Frau zeigt. Ich glaube, sie ist nicht einmal 20 Jahre alt. Sie wurde in Gaza auf einen Platz gezerrt, und Hunderte Menschen – Zivilisten, keine Terroristen – stehen um sie herum. Erst wird sie geschlagen, dann mit Steinen beworfen, und dann setzen sie sie in Brand. Die Frau verbrennt bei lebendigem Leib.

Wie eindeutig ist die Beweislage bei sexuellen Gewaltverbrechen?
Das ist etwas komplizierter, weil wir davon keine Videos haben. Wir haben forensische Beweise, weil die meisten Frauen nach der Vergewaltigung ermordet wurden. Aber das Wichtigste ist, dass wir Geiseln haben, die nach ihrer Freilassung Zeugnis abgelegt haben. Aviva Siegel berichtet etwa, dass die Terroristen Mädchen in der Geiselhaft vergewaltigt haben. Es gibt 17-Jährige, die seit mehr als 135 Tagen im Gazastreifen gefangen gehalten werden, die schwanger sein könnten. Für sie könnte auch eine Abtreibung zu spät sein. Es wird fürchterlich sein, über dieses Problem zu sprechen, aber das müssen wir.

Wie gut sind die Krankenhäuser darauf vorbereitet, so schwer traumatisierte Menschen zu behandeln?
Als wir uns nach dem ersten Deal um die freigelassenen Geiseln kümmern mussten, gab es dafür kein Protokoll, weil kein Land dieser Welt jemals so etwas erlebt hat. Wir haben dann versucht, etwas Normalität in dieser völlig verrückten Situation zu schaffen. Es sind aber nicht nur die Geiseln traumatisiert, sondern Hunderttausende. Meine eigene Tochter, die in Tel Aviv lebt, will im Dunkeln nicht allein bleiben, weil sie Angst hat, dass die Terroristen sie töten. Unser Gesundheitssystem versucht gerade, psychologische Hilfe für alle diese Menschen zu schaffen. Das wird nicht einfach und sehr viel Geld kosten.

Mit der Knesset-Abgeordneten von der Partei Jesch Atid sprach Nils Kottmann.

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