Bundeswehr

»Die meisten haben nie jemanden getroffen, der jüdisch ist«

Fahnenjunker Judith Ederberg Judith Ederberg. Judith serves as one of few Jewish soldiers in the German Army Bundeswehr and studies medicine. (Photo by Gregor Zielke) Foto: Gregor Zielke

Bundeswehr

»Die meisten haben nie jemanden getroffen, der jüdisch ist«

Judith Ederberg über das Tragen einer Uniform, Wissensdefizite bei Soldaten und einen Militärrabbiner als Ansprechpartner

von Eugen El  24.06.2021 08:57 Uhr

Frau Ederberg, Sie sind seit Januar 2020 bei der Bundeswehr und tragen derzeit den Dienstgrad Fahnenjunker. Was hat Sie zum Dienst bewogen?
Ich hatte die Idee, über die Bundeswehr Medizin zu studieren. Ich bewarb mich, war mir aber noch nicht ganz sicher. Dann wurde ich angenommen und absolvierte die Grundausbildung. Und da habe ich erst wirklich gesehen, dass es die richtige Entscheidung für mich ist. Es hat mir Spaß gemacht.

Wie selbstverständlich ist für Sie das Tragen einer Bundeswehruniform – angesichts der deutschen Geschichte?
Ich bin trotz dieser Geschichte bei der Bundeswehr und trage eine Uniform. Es ist wichtig für mich, dass es schon fast eine Normalität ist. Die Bundeswehr soll die freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen. Das ist ein Punkt, der für mich ebenfalls einen hohen Stellenwert hat.

Was empfinden Sie, wenn Sie Uniform tragen?
Man wird in Uniform anders gesehen. Das habe ich zum Beispiel im Pflegepraktikum im Krankenhaus erfahren. Man dient einem bestimmten Zweck. Die Menschen erkennen das.

Für wie lange haben Sie sich bei der Bundeswehr verpflichtet?
Für insgesamt 18 Jahre. Das beinhaltet sieben Jahre Medizinstudium und zwei Jahre Facharztausbildung.

Was möchten Sie in dieser Zeit erreichen?
Ich glaube, ich möchte in die Chirurgie gehen, vielleicht in die Unfallchirurgie. Das ist aber noch nicht klar. In dieser Zeit werde ich in Krankenhäusern und Einrichtungen der Bundeswehr arbeiten.

Können Sie sich als Bundeswehrsoldatin offen zu Ihrem Judentum bekennen?
Ja. Auch in der Grundausbildung fanden es die Leute eher interessant und haben dazugelernt. Wenn es eine Situation ist, die Zeit für Fragen zulässt, dann machen viele davon Gebrauch. Häufig ist es auch ganz egal. Viele haben aber doch Interesse. Sie fragen nach und versuchen, es zu verstehen. Mein Judentum hat niemand negativ aufgefasst. Ich habe keine antisemitischen Anfeindungen erfahren.

Gibt es unter Ihren Kameraden Wissensdefizite in Bezug auf das Judentum?
So wie überall in Deutschland: Die meisten haben nie jemanden getroffen, der jüdisch ist, und auch nie wirklich mit einem Juden gesprochen. Dann weiß man zum Beispiel auch nicht, was Schabbat bedeutet.

Können Sie Ihr Judentum in der Bundeswehr praktizieren?
Ich halte Schabbat. Ich bin aber im Sanitätsdienst. Im Krankenhaus arbeite ich natürlich auch am Wochenende und am Schabbat. Das ist aber halachisch in Ordnung, weil ich im medizinischen Bereich tätig bin. Im Dienst habe ich dann zum Beispiel kein Mobiltelefon benutzt, aber trotzdem am Computer Dinge eingetragen.

Wie blicken Sie auf die Amtseinführung des ersten Militärrabbiners bei der Bundeswehr?
Ich begrüße das. Ich finde es auch sehr praktisch, denn es gibt dadurch einen Ansprechpartner für allerlei Fragen: wenn ich etwa wissen möchte, wie ich etwas Spezifisches an Feiertagen hinbekomme oder wo eine Synagoge in der Nähe meines jeweiligen Dienstortes ist. Ich stelle mir vor, dass es hilfreich ist.

Wenn Sie in die Zukunft blicken, was wünschen Sie sich für Juden in der Bundeswehr?
Es wäre schön, wenn das eine Normalität ist, wenn man offener ist und mehr über das Judentum weiß.

Können Militärrabbiner künftig einen Beitrag dazu leisten?
Ja, auf jeden Fall.

Mit der Bundeswehrsoldatin und Sanitätsoffiziersanwärterin sprach Eugen El.

Rohstoffe

Wandel durch Handel

Der Erdgasdeal zwischen Israel und Ägypten hat auch eine sicherheitspolitische Dimension

von Sabine Brandes  31.12.2025

Arlington (Virginia)

USA genehmigen Milliardenauftrag: Neue F-15-Kampfjets für Israel

Der Vertrag umfasst die Entwicklung, Integration, Erprobung, Produktion und Lieferung von zunächst 25 neuen Maschinen

 30.12.2025

Terror

Warum?

Die nichtjüdische Deutsche Carolin Bohl wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas brutal ermordet. Hier nimmt ihre Mutter Abschied von der geliebten Tochter

von Sonja Bohl-Dencker  30.12.2025

Einspruch

Solidarität mit Somaliland

Sabine Brandes findet Israels Anerkennung der Demokratie am Horn von Afrika nicht nur verblüffend, sondern erfrischend

von Sabine Brandes  30.12.2025

Meinung

Für mich ist es Nowy God – und warum ich ihn feiere

Das Neujahrsfest hat mit dem Judentum eigentlich nichts zu tun. Trotzdem habe ich warme Erinnerungen an diesen Feiertag

von Jan Feldmann  30.12.2025

London

Vorwurf gegen Facebook: Beiträge feiern Mord an Juden und bleiben online

»Die Beiträge, die den Anschlag von Bondi feiern, sind schlicht widerwärtig«, sagt Dave Rich von der jüdischen Organisation CST in England

 30.12.2025

Berlin

Tagung »Digitale Horizonte«: Wie sich Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter wandelt

Wie verändert die Digitalisierung das kollektive Erinnern? Welche Chancen eröffnen neue Technologien – und wo liegen ihre Grenzen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Konferenz

 30.12.2025

Deutschland

Shahak Shapira »superverbittert« über Antisemitismus

Shahak Shapira spricht offen über seinen Frust angesichts von Antisemitismus in Deutschland – und wie er mit politischer Comedy darauf reagiert

 29.12.2025

Analyse

Warum die Anerkennung Somalilands so viel Aufsehen erregt

Das kleine Land am Horn von Afrika hat plötzlich eine große geopolitische Bedeutung. Dafür gibt es gute Gründe

von Ralf Balke  29.12.2025